Buchpreisprognosen, Leipzig-Edition V. Miakro von Georg Klein

Meine Fresse. Wieder so ein schwülstiges Ding, durchseucht von Jahnnierismen. Jahnnierismen, das sind, um es selbst schwülstig auszudrücken:

„Sätze, in denen sei’s der Erzähler, sei’s ein Charakter der Erzählung, ex- oder implizit vorgeben, an „Urgründe der Seele“, des Trieblebens, an die unabänderlich-menschliche Existenz unter all den Oberflächlichkeiten des Alltäglich-Kontingenten zu rühren.“.

Eindeutig gesuchte, doch selten glücklich gefundenen Formulierungen. Formulierungen, die Tiefe, die offenkundig vermittelt werden soll, nicht erfahrbar machen, sondern behaupten. Berühmtestes zeitgenössisches Beispiel:

„The suddenness and completeness of death was with them like a presence.“ (Rowling, HP 7)

Oft ist der Grat schmal zwischen gezwungener und gelungener Literatur. Ich habe in meiner Besprechung von Sabine Lewitscharoffs Apostoloff eine kleine Zusammenstellung von Prüfsteinen entworfen, die im Großteil der Fälle die Unterscheidung ermöglichen sollte. Aber eigentlich spürt man es ja, wenn es knirscht und klebt und sulzt. Für Georg Kleins Miakro, dass ich wie alle Kandidaten im Vorfeld des Preises der Leipziger Buchmesse versuche allein nach Leseprobe und Klappentext zu beurteilen, braucht es nicht mal ein sonderlich feines Sensorium. Oder, angelehnt an den schrecklichen Jargon des Romans: Man erspürt das Knattrige im Binnenwind auch noch mit tumber Sensorigkeit. Miakro klingt, als habe sich Martin Heidegger persönlich entschlossen in Imitation der Sprache epigonaler Autoren des mittleren 19. Jahrhunderts einen Science Fiction Roman zu verfassen. Herrje. Jahnnierismen ahoi! Diese in Sprache versteinerten Ausgeburten des Deutschtums.

Bei Klein klingt das dann etwa so:

Er mochte Guler. Nettler gefiel dessen Art, sich ungeniert einen Reim auf das zu machen, was Welt war.“

Ungeniert? Das, was Welt war?

Oder:

Und dass die einzige Gabel, die sie vorfanden, unbrauchbar gewesen war, weil sich deren Zinken krallig gegen ihren Ursprung bogen…“

Natürlich nicht „wie Krallen“, „krallengleich“ oder „deren Zinken, Krallen…“. Nein: Krallig. Adjektive mit -ig sind total Kleins Ding. Und kleiner als „gegen den Ursprung“ geht es nicht.

Ebenso, „spiralig“:

Und wenn der Gang abstarb, wenn Nahrung und Geschirr zunehmend missgebildet oder, wie zuletzt erneut geschehen, von einem Tag auf den anderen als spiralig ineinander verschmierte, halbgefrorene Klumpen ausgegeben wurden (…)

Noch einer:

Dicht darunter lag noch immer, obwohl es für sein Verweilen keinen ersichtlichen Grund gab, der vom Fadenziehen mattweiß verfärbte Finger der Frau.“

Gibt es einen ersichtlichen Grund für die Subjektivierung des Fingers hier? Junge, was du sagen willst ist dass dein Protagonist keinen Plan hat, warum die Frau ihren Finger solange da liegen lässt. Nicht mehr.

Wobei zusätzlich noch auffällt, dass diese zwanghaft kunstvoll gemeinte, doch eigentlich recht generisch überkanditelte Sprache vom Autor kaum wirklich beherrscht wird. Da fehlen Kommata, wo sie besser stünden, gerade angesichts der Tatsache, dass Klein sich auch immer wieder an Mannschen Relativsatzgefügen versucht, und manchmal geht das so weit, dass undurchdachte Interpunktion oder im folgenden Fall ein Leerzeichen den Sinn entstellend verschieben:

… er hatte den frisch frei gestorbenen Platz übernehmen können. Lahm und lichtschwach war dessen verjährtes Glas damals gewesen.“

An dieser Stelle wurde durch einen Todesfall ein Platz in dem mysteriösen Büro frei, von dem der Roman seinen Ausgang nimmt. Ich gehe davon aus, dass hier lakonisch im Desinteresse an Menschenleben, von einem „frisch freigestorbenen Platz“ die Rede sein soll, und nicht von einem relativ fröhlich gestorbenen Platz, der frisch [und] frei dahingeschieden ist.

Soviel dazu. Das Szenario an sich ist gar nicht so uninteressant, Menschen leben und schlafen in einem offenkundig organischen Büro innerhalb eines Komplexes, der die Arbeiter auch zu ernähren scheint. Neue Nahrungsquellen zu erschließen gehört zur Bürotätigkeit. Rundherum liegt die sogenannte wilde Welt, dort lebt das „Volk“ und ernährt sich von Wurzeln die in den Wänden wachsen. Protagonist und Büroleiter Nettler wird in den Nächten zuletzt regelmäßig von einem Wind geweckt und von Bildern bestürmt, irgendwann, verrät der Klappentext, stellt er eine Expedition zusammen und untersucht das Phänomen. Allerdings: In dieser auch kaum zum Szenario passenden Sprache ist das unerträglich. Zumal zu befürchten steht, dass wie so oft, wenn sich Hochliteraten an SciFi machen, die Welt eher als Vorwand für eine als philosophisch besonders tief behauptete Parabel dienen wird und folglich nicht stringent entwickelt wird (während sogenannte Unterhaltungsschriftsteller längst beweisen, dass beides geht). Der Klappentext, den augenscheinlich der Autor selbst schreiben durfte (er ist genau im gleichen Jargon verfasst wie der restliche Roman), lässt dahingehend schlimmes vermuten:

„Draußen aber wird, was die Männer für ihre Arbeitsheimat hielten, bereits mit heller Wachsamkeit beobachtet. Fachleutnant Xazy, die leitende technische Agentin, hat begonnen, sich furchtlos um die Zwielichtzone des Natürlichen, um den Grenzbereich zwischen Außen- und Innenwelt, zu kümmern.

Nein. Miakro von Georg Klein klingt auf jeder Seite, als wolle er mir etwas beibringen. Und wenn ich verschnörkelte Lehren in einer altertümlichen Sprache hören möchte, kann ich auch gleich in eine traditionelle katholische Messe gehen. Da verstehe ich dann wenigstens das Latein nicht und kann mich an dem Brimbamborium ergötzen.

Bild: Pixabay, gemeinfrei.

4 Kommentare zu „Buchpreisprognosen, Leipzig-Edition V. Miakro von Georg Klein

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