Für mein Bestreben, die Shortlistkandidaten der Leipziger Buchmesse im Bereich Belletristik anhand der Klappentexte und Leseproben einzuschätzen, liefert Die grüne Grenze von Isabel Fargo Cole wenig Material. Die Leseprobe des Verlages ist lächerlich kurz, ein wenig mehr bekommt man durch Amazons „Blick ins Buch“ mit. Allerdings entwickelt der Roman sich so quälend langsam, dass man dennoch fast ganz auf die Informationen des Klappentextes angewiesen bleibt.
Ein Schriftsteller und eine Bildhauerin ziehen also ins Grenzgebiet der DDR, wo er an seinem zweiten großen Roman schreiben möchte. Honecker hat angekündigt, es gebe keine Tabus mehr, der Schriftsteller Thomas verfällt auf einem historischen Stoff, dessen Handlung im Grenzland die Gegenwart spiegeln soll. Dort hin zu kommen ist nicht einfach, es braucht eine Sondergenehmigung. Und natürlich sind die Dörfler misstrauisch, und zudem hundertprozentige Sozialisten. So geht zumindest das Vorurteil, mit dem sich Thomas aus Berlin verabschiedet.
Isabel Fargo Cole versucht sich offenkundig an einer so gediegenen wie kunstvollen Sprache, Reflexionen der kleinen und großen Fragen rund um Grenzen im Allgemeinen und diese Grenze im Besonderen stehen im Mittelpunkt. Allerdings wird auch die Grenze von der Kunst zur Gekünsteltheit dabei gerne einmal überschritten und schon auf den ersten Seiten scheint es sich um einen Roman zu handeln, der kunstvoll gestreckt wird.
Von einem Roman erwarte ich nicht, dass er mich mit neuen Gedanken überrascht, somit stört das durchkauen klassischer Ost/West & Grenzthematiken noch nicht. Was ich aber erwarte, vor allem wenn von Anfang an wenig Handlung versprochen wird, ist diese besondere sprachliche Brillanz, die selbst das zum hundertsten Mal Gehörte noch neu erscheinen lässt. Die wird mir Die grüne Grenze nicht liefern können. Dafür liefert der Roman genau die Mischung aus politischem Thema, Gediegenheit ohne größere Experimente und Angeboten an die Suhrkamp/Diogenes-Intellektuellen, dass ich ihn unter allen fünf Kandidaten als ersten Favoriten auf den Leipziger Preis handeln muss.
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Weitere Besprechungen:
Mich irritiert es ziemlich das dieses Buch an vielen Stellen so gefeiert wird. Mich hat die Sprache nicht überzeugt, und poetisch finde ich es null, und wie du schreibst, ja, künstlich in die Länge gezogen wie Kaugummi unterm Schuh. Danke fürs verlinken
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Ich hab mich daran gewöhnt, dass das Feuilleton lieber feiert als serziert ;) Und Literaturpreise schauen ja auch ganz gern eher auf „Relevanz“ als Ästhetik – wobei sich das natürlich nicht ausschließen muss.
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Wohl wahr, jetzt hab ich zumindest ne Ahnung warum ich Bücher die gewisse Preise bekommen haben oft gar nicht so mag ;-)
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