Buchpreisprognosen, I: Nachtleuchten von María Cecilia Barbetta.

Eigentlich hatte ich erwartet, ein Rezensionsexemplar des kompletten Buches zu bekommen. Da ich (womöglich ein technischer Fehler) leider vorerst mit der Leseprobe vorlieb nehmen muss, markiert diese Kurzbesprechung von Nachtleuchten den Auftakt neuerlicher Buchpreisprognosen. Soweit ich sie in die Finger bekomme und die Zeit finde, möchte ich mich diesmal an die kompletten Werke halten, aber wenn’s nicht klappt, klappt es eben nicht.

Die kurze Leseprobe von Nachtleuchten hebt an aus der Perspektive der jungen Theresa, die von der erneuten Schwangerschaft der Mutter überrascht wird und mit der Situation nicht sonderlich zufrieden ist. Theresa scheint die Welt mit kindlicher Klugheit zu betrachten und besonders gerne mit Worten zu spielen:

„(…)wollte Elvio Gianelli von seiner Tochter hören, ob sie die Neuigkeit erwartet habe und ob sie sich freue. Teresa antwortete mit Nein und Ja, während sie den Gimmick vom Cover ihres Magazins Anteojito zu lösen versuchte. »Aber nicht doch«, platzte sie heraus. Sie war weiß Gott unvorsichtig gewesen, das Papier war eingerissen, die Hälfte der Buchstaben auf der glänzenden Titelseite waren von der Bildfläche verschwunden, so dass es von nun an nur noch Ojito heißen würde: Achtung. Unfug, dachte Teresa verärgert.“

Spielerisch die Sprache handhabt auch Autorin María Cecilia Barbetta, die, soweit sich das anhand des kurzen Auszugs beurteilen lässt, je nach Situation die Register wechselt. So beschreibt sie etwa heroisierend-ironisch die ersten Szenen aus der katholischen Mädchenschule INSTITUTO SANTA ANA:

„Sie schritten würdevoll durch das Kirchenschiff. Sie schritten wie die Nereïden. Sie schritten wie die Begleiterinnen des Poseidon, wie die verspielten Bewohnerinnen der Höhlen in der Tiefe des Ozeans, sie schritten selbstvergessen wie die Beschützerinnen der Schiffbrüchigen, die edlen Töchter des Nereus und der Doris, Naturgottheiten, anmutige Nymphen, die auf Namen hörten, die wie Meeresrauschen klangen und an Schaum erinnerten, sie schritten wie Glauke, Eudora und Ligea, wie Eurydike, Klio und Xantho, wie Galateia, Kalypso, Thetis und Arethusa. Die Jungfrauen des SANTA ANA schritten, als erschlösse sich ihnen die Sprache der Delphine, Seesterne und Hippokampen.“

Dieses Buch könnte sich in jede nur denkbaren Richtung entwickeln, der Klappentext lässt einen wilden Taumel durch chaotische Zeiten erwarten. Ob das am Ende auch zu einem gelungenen geschlossenen Werk reicht? Das wird davon abhängen, ob es der Autorin gelingt, die doch sehr disparaten Komplexe, die sie anfangs anreißt tatsächlich miteinander zu integrieren. Der Beginn macht Hoffnung, aber 500 Seiten sind viel Zeit um zu stolpern.
Für die Shortlist dürfts sowieso knapp werden. Starkes Feld dieses Jahr!