Schon wieder so ein Buch… „Mittelalter Mann, misanthropisch, sucht.“ Oder: Strunks neuer ist Houellebecq ohne Biss.

Hmm. Das ist also wieder so ein Buch. Ein mittelalter Mann, jenseits der 40, desillusioniert, glaubt genau zu wissen wie das Leben läuft. Und das heißt: Betrachtet alles aus eiskalt pragmatischer und im Bereich des Zwischenmenschlichen aus biologischer Perspektive. Dazwischen Anflüge von Melancholie darüber, dass die Welt sich verändert hat. Fühlt sich, natürlich, zu seiner gleichaltrigen Freundin nicht mehr hingezogen während sein Kopfkino bei jeder 18-Jährigen, der er über den Weg läuft, wie wild anspringt.

Ich mochte Strunks Der goldenen Handschuh und hatte gehofft, der Autor würde mehr machen aus dem Szenario „Älterer Mann verliebt sich in jüngere Frau“. Tja. Kam beim „Handschuh“ die Kraft vielleicht doch eher vom Stoff.

Mit dir ist es immer so schön ist ein Text, dessen Notwendigkeit man nicht so wirklich sieht. Dieses Buch gibt es ja schon in zahlreichen Ausführungen. Die bitterbösen nihilistischen von Michelle Houellebecq, das gleiche mit zahlreichen Absicherungen, um trotzdem weiter zu den Guten gehören zu dürfen, von Frederic Beigbeder. Und in der sensiblen deutschen Variante von Autoren wie Ortheil, Kirchhof oder Ruge. Da entwickeln die gestrandeten Männer dann deutlich weniger Misanthropie und dafür einen starken Drang nach Italien zu fahren, weshalb – doch ich spekuliere hier nur – dieses „Italien“ wohl so von mittelalten deutschen Schriftstellern-Figuren überbevölkert ist, dass man in jeder Kneipe eine Kassette ins Ohr gedrückt bekommt.

Ich habe prinzipiell überhaupt nichts gegen dieses Thema. A) Scheint ja doch viele Männer zu bewegen, zumindest wenn sie Schriftsteller sind und etwas älter werden. Und B) man sollte auch die schrecklichsten Menschen zum Mittelpunkt eines Kunstwerks machen können und Kunstwerke sind nicht dazu da zu erziehen, Müssen uns also auch nicht zig Entschuldigung hinhalten, warum man einen Text lesen sollte obwohl man mit der Weltanschauung der Protagonisten nicht überein stimmt. Mein einziges Problem ist: Es gibt diese misanthropischen Jammerromane wie Sand am Meer, sie tun wenig, um sich voneinander abzusetzen und es gibt deutlich bessere als diesen. Will man die bösartige Variante, ragt etwa Houellebecqs Karte und Gebiet aus dessen Gesamtwerk heraus, mag man es sehr sanft: Kirchhof. Dazwischen ein weites gut bestelltes Feld.

Gut, für sich genommen ist „Mit dir ist es immer so schön“ sicher kein ganz schlechter Roman. Wer nur dieses eine Buch liest bekommt seine Zeit so halbwegs vertrieben. Der Erzähler verliebt sich also in eine Jüngere, die scheint ein bisschen mit ihm zu spielen, aber am Ende bzw. in der Mitte des Romans kommen die beiden zusammen. Was Strunk von den zuvor genannten Autoren abhebt ist immerhin das, dass die Geliebte ein paar Passagen bekommt, die sich auf ihr Innenleben fokussieren und mit der Zeit erfahren wir, was sie an dem älteren Toningenieur, der sich dazu auch noch als unattraktiv beschreibt, faszinieren könnte. Und zwischendurch darf die Ex ihn ein bisschen anschreien.
Trotzdem wirkt die Geliebte kaum wie eine wirklich existente Person, sondern wie allein für die Erlebnisse des Ton-Ingenieurs in die Handlung geschrieben. Sie ist unglaublich schön. So schön, dass sich alle Männer auf Partys eigentlich immer nur mit ihr beschäftigen. Aber trotzdem „kriegt“ unser Protagonist sie. Und die erste Nacht ist dann nach all den Projektionen, mit denen dieser jene belegt hat, nicht etwa okay, gut, was auch immer. Sondern lebensverändernd. Weltverändernd. Und da schau her: Diese junge Frau hat als Kind die Musik des Toningenieurs gehört, als dieser noch Musiker in einer aufstrebenden Popband war. Sie will ihn dazu bringen, endlich wieder Musik zu machen. Also eine leibhaftige Muse! Und so weiter… Und als dann alles den Bach runter geht, verhält die junge Frau sich so unmöglich, dass der Protagonist sich sogar noch halbwegs zu Recht als die bessere Hälfte dieses Pärchens betrachten kann. Ganz ehrlich: „Mit dir ist es immer so schön“ wäre besser, käme heraus, dass der Protagonist sich seine Geliebte nur eingebildet hat. Ich habe eine Zeit lang tatsächlich diesen Twist erwartet.

Mag sein, wer Texte älterer Männer mag, die die Welt größtenteils pessimistisch-melancholisch betrachten, wird auf seine Kosten kommen. Vielleicht gibt es das ja, so wie es Leute gibt, die sagen „Ich lese nur Fantasy“, gibt es Leute, die sagen „ich lese nur misanthropische alte Männer“. Vielleicht ist das ja mittlerweile echt ein eigenes Genre.

Ich spreche dabei nicht von der Autoren-, sondern von der Figuren-Perspektive. Auch eine junge Frau könnte einen solchen misanthropische-alte-Männer-Roman schreiben. Vielleicht würde das ja sogar für frischen Wind sorgen. Mit dir ist es immer so schön zumindest bietet in diesem Genre nichts, das andere Romane nicht schon deutlich gelungener verarbeitet hätten.

Bild: Wiki, gemeinfrei.

3 Kommentare zu „Schon wieder so ein Buch… „Mittelalter Mann, misanthropisch, sucht.“ Oder: Strunks neuer ist Houellebecq ohne Biss.

  1. Ja, ich auch, sonst hätte ich es mir gar nicht angeschaut.

    Wobei, wenn man ehrlich ist, im Handschuh der Nebenplott, der dazukonstruiert war um das soziale Gefälle zu verdeutlichen, auch ziemlich abfiel. Ist länger her dass ich es gelesen hab, aber ich erinnere mich, dass mich das damals gestört hat.

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