“Zu den Elefanten” von Peter Karoshi. Der schmale Grat zwischen schön und gestelzt. Eine Sprachkritik.

Zuerst: Ja, “Zu den Elefanten” von Peter Karoshi hat einige schöne Momente. Besonders Naturbeobachtungen. Das Gebirge. Abendstimmung. Die Lerche auf den ersten Seiten. Schönere Momente als die meisten anderen Buchpreiskandidaten. Und doch muss ich über “Zu den Elefanten” als einen Roman sprechen, der sprachlich strauchelt. Einen Roman, der sprachlich besonders sein will und dabei eher spröd und teils unfreiwillig komisch wirkt. Über die Handlung sollen sich andere auslassen. Sie ist, in Tagebucheinträgen erzählt, in etwa, was im Klappentext steht, plus Vorgeplänkel um die Ehe eines Geistes- und einer Naturwissenschaftlerin:

“Zusammen mit Moritz unternimmt [der Protagonist und Vater Theo] eine Reise, entlang der Route, die der spätere Kaiser Maximilian II. mit dem Elefanten Soliman vor Jahrhunderten vom Mittelmeer nach Wien genommen hat.”

Allerdings in umgekehrter Richtung. Und so eine literarische Reise ist natürlich auch immer eine zu sich selbst und von Vater und Sohn zueinander.

“Eine Reise, die eine dramatische Wendung nimmt und durch die der Erzähler erkennt, dass ein Leben ein Strom aus Erklärungs- und Beobachtungsversuchen ist. Und man sich zuerst verlieren muss, wenn man zueinander finden will.”

(Wow, klingt das nach Eso-Kitsch!)
Ganz so schlimm ist es dann nicht, obwohl der Erzähler schon sowas leicht Heideggerndes hat, wenn er etwa die simple Entscheidung, von der Reise zu bloggen, so beschreibt:

“Der Auftrag zum täglichen Bericht war mir notwendig und sinnvoll erschienen. Ich hatte mir bei einem Bloganbieter dieses Blogging-Tool besorgt (…)”

(Meine Hervorhebung).

“Zu den Elefanten” möchte wohl durchaus etwas antiquiert klingen. Der Roman soll sich von der Alltagssprache abheben. Dagegen ist nichts einzuwenden. Wer mich kennt, weiß, dass ich für die sprachlich besonderen Texte kämpfe. Arno Schmidt, Else Lasker-Schüler, Bruno Schulz, zuletzt etwa Adelheid Duvanel. Und zugegeben, der Grat zwischen äußerster Poesie und totaler Katastrophe ist der schmalste und gefährlichste, den die Kunst kennt. Zugegeben auch: Wann Sprache als schön empfunden wird, hat eine subjektive Komponente. Eine Faustregel: Sie muss aus dem Erzählten erwachsen. Aus den Gegenständen und Handlungen, der Stimmung, mit der wahrgenommen wird usw. Mag sie dann das Erzählte auch weit über-wachsen. Die Sprache in „Zu den Elefanten“ dagegen wirkt, obwohl bodenständiger etwa als die in Schmidts „Enthymesis“, irgendwie gestelzt, leicht neben der Spur, nicht kunstvoll, noch künstlich (was in einem entsprechenden Szenario zB passen könnte, was weiß ich, zB eine oberflächliche Hochglanz-Scifi-Welt mit Abgrund hinter der Edel-Kulisse), sondern gekünstelt. Eine gute Probe darauf stellen meist Dialoge dar. Und die klingen bei Karoshi

A) wie der Rest des Textes und
B) wie wenn einer klassische Literatur des 19. Jhdt. imitiert, aber nicht besonders gut. Etwa:

»Brauchst du das für die Arbeit?« »Nein, das ist ja völlig veraltet. Ich lese nur hin und wieder so hinein.« »Mich kannst du ja mit sowas jagen, die Geschichte der Kindheit. Das wollen wir besser alles gut ruhen lassen.« »Sagt die abgeklärte Biologin.« Aber darauf wollte sie gar nicht eingehen. »Gerade weil wir Eltern sind, ist eine Geschichte des Kindes irgendwie auch nicht mehr so relevant? So irgendwie um die Ecke gedacht«, versuchte ich ihren Gedanken weiterzuführen. »Ja, natürlich«, sagte sie versonnen, »die Kindheit geht zu Ende, neue Abschnitte beginnen.«
»Ja«, sagte ich also leichthin, »beruhigend, das Kind so weit zu sehen.« Und nach einer Pause: »Eine erste Grenze wurde jedenfalls überschritten. Nach all dem Rennen um und für das Kind, auch einmal wieder zu sich selbst finden. Es war ja streckenweise so, als würde man einem Plan folgen, der tief in einem abgespeichert ist, ein Bauplan des Lebens, der zum Selbstläufer wird, zum Schutz der Kinder in diesen Anfangszeiten.« »Ja, von mir aus, eine Grenze«, unterbrach sie mich, »das ist doch immer so, es sind vielleicht noch zwanzig Jahre, vielleicht auch nur zehn, wer weiß das schon jetzt, und dann sind wir Geschichte.« 

Ich meine, ernsthaft. Wer unterhält sich da? Zwei glitchende Goethe-Bots die mit dem Nietzsche-Virus ringen?

Problematisch auch immer, wenn “kunstvolle” Satzstruktur einfach nur missverständlich wird:

“Eine große Ruhe hatte sich über den Landstrich, mit unserem Ferienhaus in der Mitte, gelegt.”

Warum nicht etwa “Eine große Ruhe hatte sich über den Landstrich gelegt, in dessen Mitte sich unser Ferienhaus befand”?

Es klingt bei Karoshi, obwohl der Satz natürlich streng genommen richtig ist, als hätte sich die Ruhe samt Ferienhaus über den Landstrich gelegt. Und dann noch: unnötige Inversionen:

»Überhaupt nicht«, antwortete ich wahrheitsgemäß, »nur hier und da, damit das quasi auch einmal gemacht ist. Es ist ja das letzte Mal, auf eine gewisse Art, dass das stattfinden wird können.«

Ja, eine Inversion kann ein mächtiges Stilmittel sein. Aber wenn sie in Figurenrede funktionieren soll, muss die Figur selbst als ganzes noch ein gutes Stück künstlicher stillisierter sein als ein leicht heideggernder höchstens mittelalter Geisteswissenschaftler. 

“Zu den Elefanten” ist nicht wirklich schlecht, mit der Zeit setzt wie bei vielen Reise-Romanen so ein meditativer Sog ein und irgendwann überliest man die Gestelztheit einfach und dann ist es immerhin einer der wenigen Longlist-Titel die man zu Ende lesen will und wie gesagt: Ein paar recht schöne Momente gibt es. Aber wenn die sprachlichen Eigenheiten eines Romans vor allem dazu einlädt, sie zu verdrängen, spricht das gegen das gelungen Sein der sprachlichen Gestaltung.

vgl.: Der schmale Grat zwischen Kunst und Künstlichkeit. Lewitscharoffs Apostoloff

Bild: Pixabay

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