Kurz mal wieder Carpentiers Barockkonzert zur Hand genommen. Ausversehen gleich zu Ende gelesen. Der Eindruck verfestigt sich: Bei diesem kleinen Prosastück könnte es sich wirklich um den besten Roman handeln. Den besten. Punkt. Da gelingt alles, worum der moderne Roman seit einem knappen Jahrhundert ringt, vom Titel bis hin in die feinsten sprachlichen Verästelungen eine souveräne kompositorischer Ausgestaltung. Die Beherrschung des sprachlichen Materials auf einem Niveau, wie es die Musik als die schlechthin moderne Kunst als Beispiel vorgibt, meines Erachtens das Bestreben eines jeden konsequent entworfenen modernen Romans. Selten glückte das ähnlich überzeugend und gleichzeitig: In einer durchaus auch musikalischen und literarischen Laien zugänglichen Weise. Denn dass komplex und kompliziert Synonyme seien ist ja auch so ein (post)postmodernes Missverständnis.
Übrigens Musik: Vom SWR gibt es eine lesenswerte Reihe zur Bedeutung der Musik in Carpentiers Gesamtwerk, allerdings mit ein paar kaum entschuldbaren Schwächen. So wird bei Die verlorenen Spuren unterschlagen, dass des Erzählers These vom Ursprung der Musik als Naturmimesis sich gerade nicht bewahrheitet und er diesen Ursprung später viel eher in der Totenklage lokalisiert. Und die gesamte Lektüre des Romans als tatsächliches „going native“ übergeht die koloniale Situation der Indiosiedlung im Urwald. Der Pionier, dem sich der Erzähler anschließt, wäre deutlich in Analogie zu Kurtz aus Heart of Darkness zu lesen (wenn auch weniger absichtsvoll ausbeuterisch, eher selbst ein Flüchtender; letztlich bringt er dennoch die Globalisierung in die Abgeschiedenheit). Die gesamte Erzählung ist damit viel ambivalenter als beim SWR suggeriert.
Ein Kommentar zu „Der. Beste. Roman. (?)“