Der Größte Roman unserer Zeit? „Die geheimste Erinnerung der Menschen“ von Mohamed Mbougar Sarr.

Endlich mal wieder ein Roman, der aufs Ganze geht, einer, der sich einer atemlosen Erzählung hingibt und zugleich auch strukturell klug gebaut ist und aufgeht. Ein Roman über Literatur, der dabei die Menschen nicht vergisst, mit mitreißenden Szenen, klugen Gedanken, zeitgenössischen Themen, der aber nie zu einem reinen Themen- oder Thesenroman wird, sondern ein produktives Gebilde darstellt, in dem Gedanken ringen und man am Ende doch nicht mit einer Message herausgeht. Ein durchaus auch sprachlich schöner Text, auch wenn das Bezaubern mit hübsch hingeschriebenen Sätzen nicht im Vordergrund steht. „Die geheimste Erinnerung der Menschen“ von Mohamed Mbougar Sarr ist ganz zurecht Preisträger eines der wichtigsten nationalen Literaturpreise und, obwohl auch der Prix Goncourt bereits das ein oder andere Mal daneben gegriffen hat, eines von zahlreichen Beispielen dafür, warum das Werbemittel „Deutscher Buchpreis“ wahrscheinlich niemals mit altehrwürdigeren Preise wie dem Premio Cervantes, dem Prix Goncourt oder dem Booker und dem Pulitzer auch nur halbwegs auf Augenhöhe wird spielen können.

Moment – „Die geheimste Erinnerung der Menschen“ ist ein Roman über Literatur, und habe ich hier nicht bereits öfter darauf hingewiesen, dass das eigentlich nie gute Romane sind? Selbstgefällige Bücher, die das Lesen zum Götzen machen, statt mir einfach etwas Gutes zum Lesen zu bieten? Nicht ganz: die Kritik galt immer den “Büchern über Bücher”, diesen bildungsbürgerlichen Werken, die das “Kulturprodukt” Buch verklären, wo das doch bloß eine Ware ist wie jede andere auch. In „Die geheimste Erinnerung der Menschen“ geht es dagegen um Literatur, vor allem von der Warte Schreibender betrachtet, und dabei insbesondere von einer höchstens halb etablierten Literaturszene von schreibenden Menschen mit Migrationshintergrund aus verschiedenen afrikanischen Staaten und einigen lateinamerikanischen Staaten in Paris. Es geht darum, wie sie sich eine Sprache erkämpfen, wie sie leben, leiden, lieben, natürlich auch lesen und oft mit äußerster Brutalität über die urteilen, die ihnen literarisch doch am nächsten stehen. Damit steht der Roman anders als die bildungsbürgerlichen Bücher über Bücher eher in der Tradition von wegweisenden Texten wie „On the Road“ oder auch Roberto Bolaños „Die wilden Detektive“. Diesen Roman zitiert der Autor auch in der Widmung. Und ja, die gesamte Handlung lehnt sich durchaus ein wenig an Bolaños bis heute wahrscheinlich beliebtestes Werk an. Der aus dem Senegal nach Paris gekommene Schriftsteller Diégane Laty Faye stößt auf Hinweise zu einem Roman namens „Das Labyrinth des Unmenschlichen“, den in den 30er Jahren ein anderer in Paris lebender senegalesischer Schriftsteller verfasst haben soll. Im ersten Teil des Romans folgen wir den Protagonisten durch verschiedene Szenen innerhalb einer sehr internationalen modernen Pariser Bohème, erleben Debatten zwischen ihm und seinem besten Freund Musimbwa, eine Liebesnacht mit der berühmten, mittlerweile gut 60-jährigen Schriftstellerin Siga D., die Faye schon lange verehrt und die ihn näher an den geheimnisvollen TC Elimane heranbringt. So wie das sich Entfalten der freundschaftlichen Beziehung zu ihr, die durch den Roman hindurch zur Hauptbezugsperson wird. Der Protagonist wird zusehends geradezu besessen von dem geheimnisvollen Schriftsteller, der nach einem Skandal rund um seinen ersten Roman verschwunden ist. Er beginnt, ihm immer intensiver nachzuspüren, und erhofft sich davon unter anderem auch Antworten für seine eigene Suche nach dem richtigen Schreiben. Die Anleihen, die der Roman bei “Die Wilden Detektive“ nimmt, werden wie gesagt bereits durch das Zitat eingangs verraten. Ich habe noch nicht untersucht, inwieweit auch Anleihen oder sogar versteckte Zitate anderer bedeutender literarischer Werke vorliegen. Naheliegend wäre es, denn der bereits erwähnte Skandal rund um den einzigen Roman von TC Elimane bestand darin, dass immer mehr Kritiker sogenannte Plagiate nachgewiesen haben, anfangs angeblich das Plagiat eines indigenen Schöpfungsmythos, ein Vorwurf, der später aber als rassistischer Trick eines übel wollenden Kritikers entlarvt wird, dann aber auch immer mehr Zitate aus großen Klassikern und letztlich wohl auch zeitgenössischer Literatur, was zur Aufgabe des Romans durch den Verlag und schließlich zur Schließung des Verlags führte.

Ab hier eine kleine Warnung: „Die geheimste Erinnerung der Menschen“ hat Züge einer Detektivgeschichte, und obwohl ich der Meinung bin, dass sich der Roman so wenig spoilern lässt wie „Krieg und Frieden“, wenn man weiß, dass Napoleon verliert, sollte ab hier nicht weiterlesen, wem vor allem das Detektivische beim Lesen wichtig ist. Ich versuche zwar wichtige Enthüllungen auszusparen, aber ich werde einige Dinge zumindest anreißen müssen, um über den Text zu sprechen.

Knapp vor der Mitte des Romans hatte ich erstmals gewisse Sorgen, dass der Text vielleicht seinen Zug nicht halten könnte, dass er einbrechen würde. Da bekommen wir das sogenannte “erste Biographem” zu lesen, einen von mehreren biografischen Abrissen, eigentlich kleine rückblickende Erzählungen. In diesem Fall vom Vater der bereits erwähnten Dichterin Siga. Dieser nämlich stellt sich heraus, ist zugleich entweder der Onkel oder der Vater des geheimnisvollen Schriftstellers TC Elimane. Und die relativ lange Binnenerzählung, die das enthüllt, indem sie die Kindheit und die frühen Erwachsenenjahre dieses Vaters beleuchtet, liest sich so wie zahlreiche Romane und Erzählungen, die man ganz ähnlich schon bei Maillu, Mwangi, oder anderen Autoren gelesen hat. Schwere aber eine genügsame Kindheit, Kontakt mit der Kolonialherrschaft, „weiße” Bildung korrumpiert, usw. All das liest sich im Vergleich zum Rest sehr gemächlich und für mich auch etwas generisch. Natürlich ist das vor dem oben angeführten Hintergrund vielleicht auch so gewollt – eines der literarischen Zitate, derer es vielleicht noch einige zu entdecken gibt. Dennoch: Man wird hier etwas lang herausgerissen aus dem Sog, den der Roman sonst entfaltet. Vielleicht aber schlimmer noch: Weiß man jetzt nicht plötzlich unglaublich viel über diesen so geheimnisvollen TC Elimane? Und das noch nicht mal in der Mitte des Buches? Wir kennen seinen Namen, seine Eltern, seine Kindheit und Jugend. Wir wissen sogar, dass er entweder der Halbbruder oder der Cousin der im Text wohl wichtigsten Nebenfigur ist? Ist die Detektivarbeit damit nicht schon fast abgeschlossen?
Zum Glück nicht. Sarr gelingt das Kunststück, auf einen klassischen Detektivroman übertragen, den Mörder nach kaum der Hälfte des Romans zu verraten und doch zu vielen der interessantesten Fragen erst vorzustoßen. Ich möchte jetzt nicht den ganzen Text nacherzählen und noch ein paar Mysterien lassen, aber nachdem wir im ersten Teil zahlreiche zeitgenössische Kritiken an TC Elimane gelesen haben, die teils übelst, mindestens aber stets unterschwellig rassistisch waren, auch wenn sie wohlmeinend waren, findet man heraus, dass alle diese Kritiker sich relativ kurz in der Folge selbst getötet haben. Selbst…? Und natürlich bleibt die ganz große Frage: Was ist dann mit Elimane passiert? Wo ist er hin? Wurde er wirklich einfach im Zweiten Weltkrieg getötet? Oder lebt er noch? Stimmt vielleicht sogar das Gerücht, dass er an einem zweiten Buch arbeitet?

Thematisch im Zentrum des Romans steht die Suche nach einer Position in der Literatur. Nach der Frage, wie man in dieser Welt schreiben kann, ob diese Frage für Personen mit Migrationshintergrund anders beantwortet werden muss, welche Hürden einem die Welt und besonders die Mehrheitsgesellschaft stellen, welche Hürden man sich aber vielleicht auch selbst stellt, die Herkunftsgesellschaften, die “Community”. Dabei werden besonders am Beispiel von TC Elimane offener böswilliger und offener “wohlwollender” Rassismus in den Blick genommen und anhand späterer Beispiele modernere Varianten der rassistischen Ablehnung und Umarmung. Natürlich bekommt die Literaturkritik kräftig aufs Maul, wobei die jungen Schriftstellerinnen und Schriftsteller sich in stillen Minuten auch immer wieder eingestehen müssen, dass hier einiges an gekränkter eigener Eitelkeit spricht. Doch auch moderne IdentitätspolitikerInnen sollten nicht hoffen, hier einfach freundlich ihr Weltbild gespiegelt zu bekommen. So erklärt der Ich-Erzähler etwa:

“Hat sich heute etwas daran geändert? Wird über Literatur, über äs- thetische Werte gesprochen, oder spricht man über Personen, über ihre Hautfarbe, ihre Stimme, ihr Alter, ihr Haar, ihren Hund, das Fell ihrer Katze, ihre Wohnungseinrichtung, die Farbe ihres Sakkos? Spricht man über das Schreiben oder über die Identität, über den Stil oder die medialen Bilder, die es erübrigen, einen Stil zu haben, geht es um die literarische Schöpfung oder die Sensationsgier, den Personenkult?
W. ist der erste schwarze Autor, der diesen oder jenen Preis erhalten hat, in diese oder jene Akademie aufgenommen wurde: Lesen Sie sein Buch, es ist natürlich fabelhaft.
X. ist die erste lesbische Autorin, deren Buch in gendergerechter Sprache veröffentlicht wurde: der große revolutionäre Text unserer Zeit.
Y. ist donnerstags ein bisexueller Atheist und freitags ein Cis-Muslim: Seine Erzählung ist großartig und berührend und so wahr!
Z. hat ihre Mutter vergewaltigt und getötet, und als ihr Vater sie im Gefängnis besucht, holt sie ihm unter dem Tisch des Sprechzimmers einen runter: Ihr Buch ist ein Faustschlag ins Gesicht.
Wegen all dieser geförderten und preisgekrönten Mittelmäßigkeit verdienen wir es zu sterben. Alle: Journalisten, Literaturkritiker, Leser, Verlagsleute, Schriftsteller – die ganze Gesellschaft.
Was würde Elimane heute tun? Er würde alle umbringen. Und dann würde er sich selbst töten. Ich sage es dir noch einmal: Das Ganze ist nichts weiter als eine Komödie. Eine finstere Komödie.”

Das darf nun aber keinesfalls als Einladung missverstanden werden, den Autor als Gewährsperson im Kulturkampf gegen Links oder “woke” zu zitieren. Auch angesichts eines ansonsten komplexen Textes ist eine Sache sehr einfach: Erzählerperspektiven und Figurenperspektiven sind nicht die Perspektive oder gar die Message des Autors. Und nebenbei sind Ich-Erzähler notorisch unzuverlässig und für Ich-Erzähler, die selbst Schriftsteller sind, hin und hergerissen zwischen Hoffnungslosigkeit und Größenwahn und dabei, sich erst zu finden, gilt das ganz besonders. Dies hier ist ein Roman, kein politisches Pamphlet und ein großer Roman gerade in seinem vielfältigen inneren Widerstreit. Zu jeder Position gibt es Gegenpositionen. Musimbwa, der beste Freund des Autors etwa, zieht sich zum Schluss ganz zurück aus dem französischen Literaturbetrieb und lehnt jeden Versuch ab, an die Welt literarischer und besonders europäischer Traditionen anzuschließen. Ein Weg, für den sich der Protagonist und Erzähler selbst nicht erwärmen kann, und vor dem er dennoch den äußersten Respekt zeigt.Und würde man die Haltung des Vaters aus der Binnenerzählung zu böser „weißer“ Bildung und westlicher Literatur ernst nehmen, wäre die Tochter Siga D. gewissermaßen das personifizierte Böse. Vielmehr ist sie aber die personifizierte Antithese, ebenfalls eine Figur, vor der der Erzähler höchsten Respekt hat, eine freiheitsliebende Schriftstellerin, die dafür, wie wir später erfahren, in ihrer Heimatgesellschaft auch praktisch Persona non grata ist.
Es gilt als Faustregel in diesem dialektischen Meisterwerk: Keine Haltung bleibt bestehen, alles wird sofort mit seinem Gegenteil konfrontiert und in ein Neues überführt, wobei man aber nicht auf glatt gebügelte Synthesen hoffen sollte.

Ein Volksaufstand im Senegal liefert dann das Setting für die letzten großen Momente des Romans. Und man muss konstatieren: Alles geht auf, wenn auch nichts gelöst wird. Vor dem dritten und letzten Teil etwa dachte ich mir: Jetzt müsste eigentlich noch irgendetwas mit der im ersten Teil angeteaserten Ex-Freundin und großen Liebe des Protagonisten geschehen, und siehe da: Genau das geschieht, aber keine Sorge: definitiv nicht auf vorhersehbare Weise. Sogar ein kleines Lied, das ich zum Ende hin fast vergessen hatte, das aber, wenn man es genauer betrachtet, beinahe märchenhaft verkleinert die große Geschichte spiegelt, wird noch einmal aufgegriffen, und anhand der Diskussion über mögliche letzte Strophen zwischen dem Protagonisten und seiner alten Frau im Heimatdorf unseres geheimnisvollen Schriftstellers werden fast spielerisch und trotzdem mit großem Gewicht Perspektiven auf das Leben und vielleicht auch das Schreiben verhandelt.

Zuletzt noch: Der Roman erzeugt eine unglaubliche Atmosphäre, meist allerdings weniger durch detaillierte Beschreibungen oder poetische Bilder, sondern mehr durch das Zusammentreffen von Ideen und Körpern, besonders im Pariser Nachtleben, später auch an anderen Orten. Das soll aber nicht heißen, dass der Roman keine sprachlich schönen, poetisch dichten Momente bereithält, etwa hier:

“Zu meiner Rechten breitet sich wie in Zeitlupe gefilmt das Abend- rot aus. Die nunmehr scharfe Linie des Horizonts hat die Iris der Son- ne zuerst horizontal durchschnitten, ein Schnitt genau durch die Mitte wie bei Luis Buñuel; dann ist aus dem leuchtenden, aufgeplatzten Auge ein Meer von Zinnoberrot geflossen, das von kleinen, indigoblauen und tiefblauen, fast schwarzen Splittern durchwirkt ist, die wachsen und sich auf dem Leib der Nacht in große Tumore verwandeln. Sanft sinkt die Nacht über die Erde wie ein Blatt auf die Oberfläche eines Sees.”

“Die geheimste Erinnerung der Menschen” gehört zu den ganz wenigen aktuell zeitgenössischen Romanen, sagen wir also aus den letzten fünf bis zehn Jahren, von denen ich sagen würde: den muss man gelesen haben, wie man “Die Satanischen Verse” gelesen haben muss, “Der Gott der kleinen Dinge”, “Verbrannte Blüten”, “Hundert Jahre Einsamkeit” oder “Das grüne Haus”. Wenn diese Welt überhaupt noch Platz hat für Literatur, für Literatur, nicht für Bücher, dann wird dieser Text in ähnlicher Weise wie die genannten Romane Roman eines Lebensgefühls, einer Zeit und vielleicht einer Generation werden. Wermutstropfen: die jetzige Ausgabe ist viel zu dick. Solche Bücher muss man in die Hosentasche stecken und überall hin mitnehmen können. Hoffentlich gibt es in Zukunft eine Taschenbuchausgabe, die kompakter daherkommt, auch wenn die Schrift dann ein wenig kleiner sein müsste. Wenn das mit dem deutlich dickeren “Gespräch in der “Kathedrale”” funktioniert, sollte es auch mit einem Roman funktionieren, der aufgrund seiner Kneipen- und Straßenthematik und dem im dritten Teil dominierenden Reisen geradezu für die Straße gemacht ist.

Zwei Nachträge:
– Ich bin beeindruckt, wie der Text trotz seiner örtlichen Aufgefächertheit den Eindruck einer Einheit aufrecht erhält. Das gelingt nicht vielen Romanen.

– Ab dem zweiten Teil wird es, wie gesagt, manchmal schwierig, die Zeitebenen genau zu verfolgen. Die komplexeste Struktur dabei ist etwa die folgende: Der Erzähler ist schon an einem anderen Ort im Jetzt, erinnert sich aber an ein Gespräch mit der Dichterin, das er früher geführt hat, und in dem sie ihm wiederum in erzählerischer Weise Inhalte von Gesprächen über TC Elimane wiedergibt, die sie geführt hat, wobei die Erzählung manchmal noch eigentlich aus dem Wissen ihrer Gesprächspartner entspringt. Das klingt komplizierter, als es ist, wird aber in der deutschen Version zumindest hier und da dadurch komplizierter gemacht, dass die Anführungszeichen manchmal an unerwarteten Stellen gesetzt sind, so dass sich teilweise erst nach einigen Seiten erschließen lässt, wer eigentlich gerade von “meinem Vater“ erzählt. Das ließe sich vielleicht typografisch besser lösen, aber keine Sorge: Man kommt schon ganz gut damit zurecht, ich habe jetzt nicht über den Text gesessen und ständig gerätselt und mir Dinge angestrichen. Es sind eher solche „Was ist jetzt los?“-Momente, die dann meist ein, zwei Seiten später von einem „Aha, so ist das also“ abgelöst werden.

Ist “Die geheimste Erinnerung der Menschen” nun wirklich, wie im Titel angeteasert, der größte Roman unserer Zeit? Das dürfte, abgesehen davon, dass es kaum noch möglich ist, überhaupt all die Texte im Auge zu haben, die weltweit auch nur in einem Jahr erscheinen, vor allem davon abhängen, wie weit man unsere Zeit fasst. Ich werde mit Sicherheit weiterhin Arundhati Roys “Der Gott der kleinen Dinge” höher halten, auch Rushdies “Die Satanischen Verse”, aber da sind wir dann eben auch schon in den 80ern, und weitere Texte könnten einem einfallen: Machfus “Die Midaq-Gasse” etwa. Aber so könnte man dann rasch weitermachen und würde unsere Zeit bald ohne Probleme bis zum Zweiten Weltkrieg stecken. Wenn wir die Sache aber enger betrachten, den Blick auf die Diskurse lenken, die vielleicht grob die letzten fünf bis zehn Jahre bestimmt haben und sich davor noch mal fünf bis zehn Jahre angedeutet haben, dann kann man “Die geheimste Erinnerung der Menschen” denke ich tatsächlich zu den wenigen Texten zählen, die dieser Zeit in all ihrer Widersprüchlichkeit einen radikalen literarischen Ausdruck verleihen. Ich habe in jüngerer Vergangenheit vielleicht geschliffenere Texte gelesen, Texte, deren einfache Schönheit viel unmittelbarer gegenwärtig wird und zu vergegenwärtigen ist, aber wirklich lange nichts so Mitreißendes mehr, so wirklich zum Lesen Drängendes, das, und das möchte ich hier wiederholen, sich am Ende aber auch als durchweg wohlkomponiertes Ganzes enthüllt.

Bild: Eigenes.

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