Plätschert, trotz vieler schöner Momente: „Amrita“ von Banana Yoshimoto.

„Amrita“ von Banana Yoshimoto habe ich im offenen Bücherschrank gefunden. Der Roman ist im Großen und Ganzen ein positives Beispiel für die Masche des Diogenes Verlags, aggressiv leicht konsumierbare Literatur mit intellektuellem Anspruch zu vermarkten. Und der Text liest sich flüssig, ist stets durchzogen von einer sanften Melancholie und findet manchmal ganz schöne Bilder, insbesondere für Momente der Einsamkeit oder des Erinnerns.

Ganz grob die Geschichte: Eine junge Frau, ihre Mutter, ihr deutlich jüngerer Bruder und noch ein paar Personen wohnen zusammen, wobei der Ex-Freund der Schwester, anders als im Klappentext behauptet, nicht wirklich zur Wahlfamilie gehört. Er wohnt immer außerhalb. Die Schwester der Protagonistin ist gestorben. Es wird nie ganz aufgelöst, was passiert ist, aber sie hat sich entweder aktiv umgebracht oder ein Leben gelebt, das zu einem frühen Tod führen musste. Die Protagonistin ist irgendwann eine Treppe heruntergefallen und hat ihr Gedächtnis verloren. Mit der Zeit kommt sie mit dem Ex der Schwester zusammen, und ihr Bruder entwickelt die Fähigkeit, telepathisch zu kommunizieren und Geister zu sehen.

Der Roman langweilt nicht, wirkt aber auch seltsam unentschlossen, was für eine Geschichte das eigentlich sein soll. Spätestens ab den letzten 100 Seiten dürfte man genervt sein, weil klar wird, dass alle Themen bis zum Schluss weiterplätschern, ohne wirklich an irgendeiner Art von Klimax anzulangen.

Besonders stört das bei dem ganzen Spiritismuskram. Am Anfang wirkt das wirklich gut eingeführt; es gibt hier und da Hinweise, dass Geister und Telepathie real sein könnten, und man hat das Gefühl, das könnte die Geschichte durchaus aufwerten. Aber bald haben irgendwie alle akzeptiert, dass es Geister gibt und man telepathisch kommunizieren kann, und der kleine Bruder findet noch ein paar Freunde, die auch alle solche fantastischen Fähigkeiten besitzen. Aber wirklich etwas daraus gemacht wird nicht. Alle anderen Figuren sind so: „Ach ja, Geister und Telepathie gibt es auch, und anscheinend auch UFOs. Was gibt’s denn heute zum Abendessen?“

Auch das andere zentrale Thema, der Gedächtnisverlust, wirkt aufgesetzt und nicht wirklich durchgearbeitet. Wir erfahren relativ früh durch einen Artikel von einer Frau in den USA, die praktisch zwei Erinnerungen parallel besitzt. Ich denke schon, wir sollen das mit unserer Protagonistin eng führen. Aber ganz ehrlich: Als die Protagonistin dann etwa ab Seite 400 ihr Gedächtnis zurückgewinnt, dachte ich vor allem: Wie jetzt? Die hatte das die ganze Zeit nicht? Ich habe gedacht, die Passagen, wo sie von ihrem verlorenen Gedächtnis spricht, seien Rückblenden zu den Ereignissen vor dem Roman. Wie kann das kommen? Ganz einfach: Die Protagonistin verhält sich mit und ohne Gedächtnis genau gleich, pflegt die gleichen Beziehungen in der gleichen Intensität, hat die gleichen Freundschaften, die gleichen Gefühle. Ach, sagen wir, wie es ist: Es ist die gleiche Frau. Sie hat definitiv schon auf den ersten 400 Seiten nicht das Gedächtnis verloren und gewinnt nichts hinzu, als der Roman behauptet, sie hätte ihr Gedächtnis zurückgewonnen.

Zuletzt: Das spannungsgeladenste Ereignis, dass die Protagonistin von ihrem Freund, dem Ex der Schwester, betrogen wird und beschließt, ihn zu verzeihen, sich aber nicht sicher ist, ob das wirklich funktionieren wird, hat die Autorin in den Epilog gepackt! Also: Dieser Roman soll wirklich plätschern, bloß nicht in irgendeiner Art und Weise unter Spannung setzen.

Schade ist: Der Text hätte ohne den ganzen aufgesetzten Telepathie-, Geister- und Gedächtnisverlustkram durchaus auch ziemlich gut funktionieren können. Eine Familie, die die Tochter und Schwester viel zu früh verloren hat, und sich nun relativ unorthodox zusammensetzt. Alle müssen damit irgendwie zur Rande kommen, und dann kommt auch noch die Protagonistin mit dem Ex der Schwester zusammen? Das hält doch genug an Konflikten, an Momenten der Reibung, an Dingen, über die es sich nachzudenken lohnt, bereit, dass daraus ein richtig starker Roman entstehen könnte.

Wie gesagt, schlecht ist das Ganze auch so nicht, dank schöner Momente, interessanter Figuren und interessanter Beobachtungen. Aber es ist ein Text, der vor sich hinplätschert, und die Fragen und Konfliktstellungen, die er aufbaut, letztlich nirgendwohin führt.

Bild: Eigenes.

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