Stärkster Roman der Reihe – „Die Flüsse von London“ 5

„Fingerhut-Sommer“, der fünfte Teil der „Flüsse von London“-Reihe ist bis jetzt eindeutig der stärkste. Das könnte befremden, da ausgerechnet dieser nicht in London spielt, aber letztendlich liegt es genau daran. Der Protagonist wird aufgrund einer Kindesentführung, bei der magische Dinge eine Rolle spielen könnten, in eine Kleinstadt abberufen, die relativ dörflichen Charakter hat, und siehe da: Plötzlich ist die Handlung auf einen Raum begrenzt, in dem man nicht einfach von Örtlichkeit zu Örtlichkeit springen kann. Man muss sich Mühe geben, ihn als kontinuierlich von Menschen belebt darzustellen, indem Zusammenhänge konsistent sind und der Zufall nur eine kleine Rolle spielen kann. Endlich wird einmal tatsächlich durchgängig ermittelt, greifen die Handlungsschritte ineinander, und man hat das Gefühl, einem Kosmos bei seiner erzählerischen Entfaltung zuzusehen.

Der Ich-Erzähler und seine Freundin, Flussgöttin Beverley, hören sich um, stoßen auf Hintergründe, die nahelegen, dass tatsächlich magische Wesen etwas mit dem Verschwinden der Kinder zu tun haben könnten, und werden verwickelt in Konflikte, die die sogenannten „Fey“ seit vielen Jahrhunderten, wenn nicht sogar -tausenden, mit den Menschen haben. Wie bereits erstmals von mir für den dritten Teil gelobt, werden magische Wesen und Welten nicht einfach hingeworfen und geschluckt, sondern mit einer gewissen Langsamkeit entdeckt, die es überhaupt erst erlaubt, das als etwas Besonderes wahrzunehmen. Die beiden Wendungen in der Mitte und zum Schluss hin sind überraschend, aber doch folgerichtig.

Ein wenig schade ist, dass Lesley nach dem Tiefschlag vom vergangenen Roman diesmal von ein paar SMS abgesehen keine Rolle spielt. Auf der anderen Seite speist sich die Stärke des Textes vielleicht auch gerade daraus, dass die Haupthandlung, mit Ausnahme der Beziehung des Protagonisten zur Flussgöttin Beverley, hier größtenteils einmal Pause hat. Denn einer der Gründe, warum die vergangenen Romane oft so schwächelten, war ja gerade, dass das Ermitteln relativ früh in die mehr spektakulären als durchdachten Kämpfe der Haupthandlung mündete oder sogar einfach hinter diese zurücktrat.

Ich fürchte allerdings, dass Band fünf ein Ausreißer bleibt. Nicht, dass man nicht auch kompositorisch gelungene Texte mit einer sich lebendig anfühlenden Welt in einer Großstadt schreiben könnte, aber der Autor kann es, fürchte ich, nicht besonders gut.

Bild: Wikiart, gemeinfrei.

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