Eine junge Frau lebt allein in ihrer Hütte im Wald. Sie muss lernen, mit ihrer Umwelt zurechtzukommen und ihr ein Leben abzuringen. Ein Leben mit dem Wald, mit den Menschen im nahen Dorf, mit dem sie Handel zu treiben beginnt, mit ihren erwachsenden magischen Kräften. Wer den Eindruck hat, dass der Plot von Greetja dem von Im Farindelwald sehr ähnlich ist, liegt nicht falsch. Über grob das erste Viertel könnte man glauben, die beiden Bücher von Ina Kramer seien Varianten der gleichen Geschichte. Doch in Greetja bleibt die Handlung bei Greetja, und spätestens, als zu deren 14. Geburtstag eine andere Hexen auftaucht und die junge Frau in die Lehre nimmt, divergieren die Plots deutlich.
Nun lebt Greetja in Festum, in starker Abhängigkeit von ihrer Ausbilderin, die sich immer fragwürdigeren Geschäften hingibt. Sie knüpft einerseits Kontakt zu anderen Hexen, andererseits übt der Tempel eine große Faszination auf sie aus. Dort findet sie einen Freund und beginnt junge Menschen zu unterrichten. Außerdem ist da noch ein geheimnisvoller Unbekannter, der manchmal auftaucht und nach einigen Annäherungsversuchen verspricht, zu Greetjas 25. Geburtstag sein Geheimnis ganz zu enthüllen. Und zwei Elfen versuchen die Achtel-Elfe Greetja zu überzeugen, gemeinsam mit ihnen ihre entlegene Siedlung zu besuchen.
Greetja punktet durch viele der gleichen Stärken wie Im Farindelwald. Die Geschichte ist klein und persönlich. Die Figur ist immer glaubhaft Teil ihrer Welt und entwickelt sich nicht von 08/15 zum Übermenschen. Ein sehr erwachsener Roman, der weiß, dass man nicht an jeder Ecke krachbumm machen muss, und dass zwischenmenschliche Geschichten interessant sein können, ohne dass die Handlung in Krieg und Weltenrettung eskaliert
Was dem Text im Vergleich fehlt, ist die besondere sprachliche Schönheit. Und das mag durchaus konsequent sein, Greetja ist gewissermaßen deutlich naturalistischere Fantasy als Im Farindelwald, das sich immer mehr in die Sphären des Märchens bewegt und schließlich fantastische und märchenhafte Realität vermischt. Es hat aber zumindest den Nebeneffekt, dass es keine Stellen gibt, an die man noch einmal zurückkehren will. Greetja ist rein handlungsgetrieben.
Die Art wie das Wirken von Magie beschrieben wird, ist derweil stärker an einer Spielwelt orientiert, als bei Im Farindelwald. Astralenergie, Regeneration, und so weiter und so fort – Es klingt nicht so schrecklich wie in Sphärenschlüssel und Blutrosen, aber man fühlt sich doch manchmal aus der Romanwelt herausgerissen und denkt: aha, da spielt jemand gerade DSA.
Aber das sind keine großen Abstriche. Auch Greetja ist nicht nur einer der besseren DSA-Romane, sondern auch einer der besseren Fantasy-Romane auf dem Markt. Unaufgeregt, mit Figuren, denen das Werk erlaubt, plastisch zu werden, zu Menschen zu werden, statt Figuren zu bleiben, die vor allem auf ein großes übergeordnetes Ziel und eine Klimax hin existieren. Nicht, dass es diese nicht gäbe, sowohl die Handlung um den geheimnisvollen Fremden als auch um die immer böser werdende Meisterin verdichten sich (und ersteres wird ein wenig kitschig), aber es bleibt in den Sphären dessen, was für diese Figuren und ihre Welt glaubhaft ist, es steht Persönliches auf dem Spiel, nicht das Schicksal von Staat oder Welt. Und das Persönliche ist meist das eigentlich Interessante an einem gelungenen Roman.
Bild: Wikiart, gemeinfrei.