Lyrik & Liedkunst. Erste Umkreisungen

In den Arbeiten zu Dylan gehe ich davon aus, dass Liedkunst und Lyrik nicht direkt vergleichbar seien, dass mithin ein textlich schwaches „Gedicht“ dennoch Teil eines gelungenen Liedes sein kann. Es scheint evident. „The Wasteland“ kann man kaum singen. „Hurt“ als Text ist pubertärer Kitsch. Oder: „Starry, starry night…“ im Beginn von McLeans Vincent… hier würde man mit einigem Recht im modernen Gedicht die Doppelung monieren. Akzeptiert man sie im Lied, weil man es als Kunst sowieso nicht ernst nimmt? Oder weil das Lied eigenen Regeln gehorcht, die zwar intuitiv verstanden, bis jetzt kaum herausgearbeitet wurden? Mir ist bewusst, das untenstehende Fragmente größtenteils sicherer auf das klassische Kunstlied zutreffen, als auf den Pop dessen vll wichtigstes künstlerisches Element kaum mehr im Lied, sondern in der Performance, gerade abseits der Bühne, zu suchen ist. Aber idealfälle zu konstrihren kann helfen, will man sich über den Gegenstand, über den geredet werden soll, überhaupt erstmal klar werden. Bisher wird vor allem lautstark gefühlt.

5 Annäherungen.

1. – darüber, was es nicht ist

Niles: You know we have to approach this book from a completely different angle from all of our previous writings, our dissertations, out theses…// Frasier: Hmm, that’s right. Yeah, this has to be interesting!“

Das ist es nicht. Ein Barbar, wer zu „Song of Joy“ Party macht. Dagegen kann die Stimmung bei der Lesung aus Thomas-Gedichten durchaus ausgelassen sein. Die Scheide zwischen Liedlyrik verläuft nicht bei Trocken/schwierig vs. Unterhaltsam. Probe am Spaßlied: den besten Produktionen eines Kreisler oder Lehrer verzeiht man sehr viel mehr „Beiwerk“ als den schlechten Gedichten Erhardts.

2. – über die Komik

Es geht vielmehr um das Zusammenspiel von Text und Musik.

Aber was heißt das? Das komische Lied hat mit Standup mehr gemein als mit dem komischen Gedicht. Musik, wie der mündliche Vortrag, kennt retardierende Momente. Der Liedtext arbeitet intensiv mit der „zeitregulierenden“ Beschaffenheit der Musik. In der Komik ist das oft ein Haupt- Stilmittel. Analoges lässt sich wahrscheinlich auch für getragenes Liedgut zeigen. Das heißt auch: Der Liedtext will gar nicht in erster Linie gelesen werden, dass nähme ihm genau den zentralen Überraschungseffekt.

3. – über den Spezialfall

Im klassischen Kunstlied wird die Stimme teils derart zum Instrument, dass der Text beinahe irrelevant ist. Text wäre hier wie dem Bildhauer Marmor: Stoff. „Die Johannespassion“, „Eine Frühlingswanderung“, solche Dinge. Dem Stoff verzeihen wir seine Grobschlächtigkeit, die Musik ist der Meißel der ihn fein ausformt. Im modernen Lied ist diese Konstellation selten, aber doch nie gänzlich am Material getilgt.

4. – übers Allgemeine

Everithing has to be concise“ sagt Dylan übers Lied. Stellt man sich einen Text vor, der rhythmisch melodisch so durchkomponiert ist, wie man es sich vom Gedicht erwartet, fehlt jeglicher Raum für das freie Spiel zwischen Text und Musik. Das literarische Ideal zwänge dem Lied seine Struktur auf, das kompositorische Ideal strangulierte den Text. Möglich: Das gelungene Lied setzt sich so zwingend aus unvollkommenen Teilen zusammen…

5. – Im Vergleich

wie ja auch die dreidimensionale malerische Bearbeitung einer Plastik andern Regeln gehorcht als das Malen auf Leinwand, oder dorische Säulen nicht parallel gesetzt werden dürfen, um parallel zu erscheinen und den Tempel formvollendet wirken zu lassen.

Ein Kommentar zu „Lyrik & Liedkunst. Erste Umkreisungen

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