Puhh… eine Bleischwere Nacht

Der enttäuschende Herr Jahnn

Nach Jahren des Sich-Vornehmens mit der unvermeidlichen Nacht aus Blei nun doch einmal einen Text dieses „größten deutschen Modernisten nach Schmidt“ (Arno, nicht Helmut) gelesen. Hans Henny Jahnns also. Sehr enttäuscht. Das Ganze liest sich doch recht spätpubertär (es wäre Zeit dies als literaturwissenschaftlichen Begriff zu etablieren):

Wie die Dinge eben, die man schreibt, wenn man erstmals mit Kafka in Kontakt gekommen ist und vielleicht noch den Steppenwolf gelesen hat, und dann denkt „solch andeutungsreiche Parabeln kann ich auch“. Das Gerät, da es Jahre bis Jahrzehnt braucht zu begreifen dass Kafka keine Parabeln, ja überhaupt nicht absichtlich dunkel geschrieben hat, fast zwangsläufig Hess-lich…

…Und was ist modern an einer Traumerzählung, die so ganz linear und mit entblößter Brust daherkommt, worauf in Blut geschrieben steht „dechiffrieren mich?“ – Jahnn würde vielleicht etwas formulieren wie „der blutige Busen des Wortes ward mir Begegnung“ – das ist doch im schlechtesten Sinne noch weitaus romantischer als Hofmannsthal…

Neoromantisch und pubertär

… Überhaupt ist Nacht aus Blei eines jener schrecklichen neoromantischen „philosophischen“ Stücke Literatur, deren Autoren zwar noch anzurechnen ist, dass ihnen rechtzeitig aufging, dass ihre „Philosophie“ (für gewöhnlich Versatzstücke eines irgendwo zwischen Nietzsche und Heidegger anzusiedeln Weltschmerzes mitsamt dem Appell sich dennoch freudig ins schreckliche Dasein zu werfen (oder den Tod als Lösung anzunehmen)) zum reinen philosophischen Werk nichts taugt, und die sich deshalb in romanhafte Gleichnisse kleiden.

Mag ich nun deshalb Jahnn schon ganz aufgeben? Nein. Immerhin war der Text als Binnenerzählung zu einem größeren Ganzen geplant, und könnte als solcher womöglich seine Funktion erfüllt haben. Man kommt an Fluss ohne Ufer wohl nicht vorbei, um sich ein Urteil zu bilden, allerdings macht die folgende Amazon-Rezension wenig Hoffnung:

All die Reflexionen, die Tabubrüche, die seitenlangen tiefschürfenden Dialoge, die Verstrickungen, Verhängnisse, Unabwendbarkeiten, das Schicksal, die Fragen nach Antworten auf eine böse Schöpfung….. jeder Abiturient oder Student in den ersten Semester kann da eintauchen und großartige Schilderungen von Ereignissen finden, die natürlich alle mehr oder weniger gut erfunden sind…. Und wenn man seine theologischen Bauchschmerzen nicht irgendwann überwunden hat, ist das Buch sicher auch noch im höheren Alter von Interesse. Es erinnert, ohne es ansonsten vergleichen zu wollen, an die (künstliche) Gequältheit und Zerrissenheit eines Dostojewski, Kierkegaard usw… Alles voll von Schmerz und Tiefsinn und von Problemen, die in erster Linie Leute haben, deren Miete überwiesen und deren Urlaub gebucht ist.“

Und auch diese Re-Lektüre spricht erstaunlicherweise über alles, und viel über Tiefe des Sinns und Schwere, doch nie über die literarischen Meriten des Textes.

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