Mehrere starke Anfänge, durch-wachsenes Ende. „Witchworld“ (1) von Andre Norton.

Vor ein paar Wochen habe ich ein Blog entdeckt, das die Dune-Romane genauso schrecklich findet wie ich, und auch ausführlich begründete Rezensionen dazu veröffentlicht hat, sodass ich diese Aufgabe als erledigt betrachte und selbst diese Bücher niemals wieder werde lesen geschweige denn besprechen müssen. Hier wurde nebenbei, auch wenn es keinen allzu deutlichen Zusammenhang gibt, das Witch World Universum von Andre (Alice Mary) Norton als gelungene klug aufgebaute Fantasy empfohlen, und da die sechs Hauptromane für kaum mehr als 10 € zu haben sind, wollte ich mir das einmal anschauen.

“Witchworld”, der erste Roman, beginnt gleich zweimal vielversprechend. Zuerst in einem an unsere Welt angelehnten Szenario, in dem ein Mann, der offenkundig zu kämpfen versteht, aus halb im Dunkeln bleibenden Gründen verfolgt wird. Okay, also hardboiled Urban Fantasy, dachte ich mir. Warum nicht? Das Ganze ist eindringlich und atmosphärisch geschrieben:

“Tawdry red-and-yellow neon lights made wavering patterns across the water-slick pavement; his acquaintance with this town was centered about a hotel or two located at its center section, a handful of restaurants, some stores, all that a casual traveler learned in two visits half a dozen years apart. And he was driven by the urge to remain in the open, for he was convinced that the end to the chase would come that night or early tomorrow. Simon realized that he was tiring. No sleep, the need for constant sentry go. He slackened pace before a lighted doorway, read the legend on the rain-limp awning above it. A doorman swung open the inner portal and the man in the rain accepted that tacit invitation, stepping into warmth and the fragrance of food.”

Dann allerdings sucht der Protagonist einen Spezialisten fürs Verschwinden auf, und der teleportiert ihn kurzerhand in eine andere Welt. Auch hier ist die Exposition wieder überzeugend. Eine junge Frau flieht, der Protagonist kann ihr helfen, stellt aber bald fest, dass ihre Mächte die seinen bei weitem übersteigen. Weiterhin wird stark beschrieben:

“The dawn light did not mean sun to come, for there was a thick mist filling the air. Simon got to his feet and glanced back over his shoulder. Two rough pillars of reddish rock stood there, between them no city yard but a stretch of the same gray-green moor running on and on into a wall of fog. Petronius had been right: this was no world he knew.
(…)
As he plodded across the soggy turf the sky grew lighter, the mist lifted, and the character of the land changed slowly. There were more outcrops of the red stone, the rolling ground held more sharp rises and descents. Before him, how many miles away he could not judge, a broken line cut the sky, suggesting heights to come. And the meal he had treated himself to was many hours in the past. He twisted a leaf from a bush, chewed it absently, finding the flavor pungent but not unpleasant. Then he heard the noise of the hunt.”

Erneut: warum nicht? Kurze dichte Anderwelt-Fantasy also?
Leider wird das Ganze nun doch ein wenig generischer. Einige doch wichtige Hintergründe werden kaum erfahren, sondern als große Infodumps eingeführt:

“Simon had wondered how he would be received among the Guards—after all they were making a stand against high odds and to them any stranger might represent an enemy, a breach in the wall of defense. Only he had not reckoned with the ways of Estcarp. Alone in the nations of this continent, Estcarp was willing to welcome one coming with a story as wild as his own. Because the power of that ancient holding was founded upon—magic! Tregarth rolled the wine about his tongue before he swallowed, considering objectively the matter of magic. That word could mean sleight-of-hand tricks, it could cover superstitious mumbo jumbo—or it could stand for something far more powerful. Will, imagination, and faith were the weapons of magic as Estcarp used it. Of course, they had certain methods of focusing or intensifying that will, imagination, and faith. But the end result was that they were extremely open-minded about things which could not be seen, felt, or given visible existence. And the hatred and fear of their neighbors was founded upon just that basis—magic. To Alizon in the north, Karsten in the south, the power of the Witches of Estcarp was evil. “You shall not suffer a witch to live.” How many times had that been mouthed in his own world as a curse against innocent and guilty alike, and with far less cause.”

Die Hexenwelt zieht bald in den Krieg. Die Gegner wirken wie Untote. Mit einem großen Knall endet der erste von vier Teilen des ersten Bandes, dann geht es noch einmal aufwärts, quasi ein dritter Beginn. Eine neue Figur, die in einem anderen Land gegen ihren Willen verheiratet werden soll, versucht zu fliehen und befreit dabei eine im Haus ihres Vaters gefangene Hexe. Langsam scheint mir, Norton kann Einstiege besser als alles andere. Denn ab jetzt sind wir wieder bei Simon und der Rest ist schleichen, Bündnisse schmieden und Kämpfe, und schließlich die Enthüllung, dass der geheimnisvolle Gegner mit der untoten Armee hochtechnisiert ist und wahrscheinlich wie Simon aus einer anderen Welt kommt. Auch die atmosphärische Gestaltung wird dabei zurückgefahren, die Handlung ist jetzt vor allem ein „Was passiert als nächstes?“.Viele Autorinnen und Autoren scheinen zu denken, wenn man Atmosphäre einmal etabliert hat, bleibt sie da. Das funktioniert natürlich genauso wenig wie bei einem Musikstück, die begleitenden Akkorde nur zu Beginn anzuschlagen und dann alleine die Melodie zu spielen. Zumindest auf Basis des ersten Bandes überzeugt mich auch die „Unsere Welt – andere Welt“-Konstruktion nicht, soll doch angeblich keine Rückkehr möglich sein. Ich würde es schon für relevant halten, dass die Situation, aus der Simon zu Beginn zu fliehen versucht, noch Konsequenzen hat. Zugleich entwertet die Tatsache, dass es angeblich unendlich viele Welten gibt und jeder, der auf Simons Weise flieht, in eine auf ihn zugeschnittene Welt teleportiert wird, diese Welt ein wenig. Das ist zwar nicht das klassische Parallelweltenproblem moderner, auf die Kopenhagener Deutung der Quantentheorie aufbauender Romane, wo jede Entscheidung eine Parallelwelt erzeugt und letztlich alle möglichen Welten existieren müssten, aber es hat schon ein wenig etwas von Leben in einer Simulation, obwohl nicht unbedingt gesagt wird, dass unser Bewusstsein die Welt erzeugt. Letzte Schwäche: Dass Loyse, die im zweiten Band des ersten Romans geflohene Frau, wie eine Figur mit gleichem Gewicht wie Simon eingeführt wird, und dann im ersten Teil nur noch am Rande vorkommt, überzeugt auch nicht wirklich. Vielleicht wird das Problem ja im zweiten Teil gelöst. Immerhin wird das Ganze nach dem längeren Schleichen, Kämpfen und Ränke Schmieden zum Schluss hin wieder interessanter. Der hochtechnisierte Gegner und die Frage, wo er herkommt und was er will, könnten für die folgenden Teile zumindest eine interessante Geschichte versprechen.

Übrigens: Lasst euch nicht davon täuschen, dass ich von einzelnen Bänden innerhalb der einzelnen Romane spreche. Die Hexenwelt Romane sind ziemlich kurz. Von den ersten drei überschreitet keiner 200 Seiten. Meist ist das eine Stärke, wobei Norton meines Erachtens einige ihrer Infodump-Passagen doch besser erzählerisch entwickelt hätte.

Bild: Wikiart, gemeinfrei.

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