Eine Geschichte zweier Burgen. „Der Engelsturm“ ist ein starkes Finale für Tad Williams‘ Tetralogie der großen Schwerter

Mit „Der Engelsturm“ geht Tad Williams‘ Tetralogie der großen Schwerter zu Ende, und das durchaus in gelungener Weise. Lange Aufgebautes wird eingelöst, Figurenentwicklung wird zu einem passenden Schluss gebracht, und natürlich gibt es ein großes Finale. Ja, wie zu erwarten, bekommen Schlachten noch einmal etwas mehr Raum. Doch Williams findet einen guten Weg, die drei Hauptfiguren, Simon, Miriamel und Binabik, noch einmal auf eine Einzelmission zu schicken und von der großen Armee zu trennen, so dass das Schlachtengeschehen nicht endlos ausgerollt werden muss, sondern immer wieder in passenden Momenten abgeblendet werden kann und auf diesen isolierten Strang übergeblendet. So wird dann der große Pferdefuß der High-Fantasy, wer was in wen steckt und wer wen wie oft haut, vor allem als Ergebnis präsentiert. Wenn wir im Rahmen von Schlachten verweilen, dann, weil Figuren dort auf bedeutungsvolle Weise interagieren.

Grob folgt der Text nur noch zwei Handlungen: Miriamel und Simon versuchen aus unterschiedlichen Gründen in Hochhorst einzudringen. Binabik schließt sich ihnen später an, und auch Kranak stößt hinzu. Und die große um Josua versammelte Armee zieht erst nach Nabban, um dort Tamaris als rechtmäßigen Herrscher zu installieren, und stößt von dort dann weiter auf Hochhorst vor.

Sehr stark ist, wie alles, was wir im ersten Teil und dann immer wieder im Gespräch in der Folge über die Unterwelt von Hochhorst gelernt haben, nun erzählerisch aufgegriffen und entfaltet wird. Diese Welt unter Hochhorst ist noch mal sowohl ein Ort für Momente des Staunens als auch für solche der Spannung. Überhaupt ist das belebte Hochhorst der ersten zwei- bis 300 Seiten des ersten Bandes mit dem jetzigen finsteren, fast wie eine Vorhölle wirkenden, darin der Priester Pyrates herrscht und der König nur noch ein Schatten seiner selbst ist, effektiv kontrastiert. Figuren wie Rahel oder Gutwulf, die sich in der Unterwelt verborgen haben, finden nun zu ihrem überzeugenden Einsatz. Und auch was die großen Schwerter betrifft und die Prophezeiung, die mit ihnen verbunden scheint, findet die Story zu einer interessanten Wendung, die verhindert, dass das Finale nach Schema F abläuft.

Ein bisschen nervig ist in der ersten Hälfte des Romans die Teenager-Lovestory, die sich natürlich zwischen Simon und Miriamel entwickeln muss. Sicher, das haben wir alle kommen sehen, es ist in gewisser Weise auch folgerichtig, aber dieses ängstliche „Mag er/sie mich oder nicht?“ wirkt trotzdem ein wenig wie aus einem Highschool-Film hineinkopiert. Immerhin macht Williams einiges besser als andere, seine Figuren verhalten sich noch halbwegs glaubhaft. Als Miriamel etwa Simon gesteht, dass sie nicht mehr Jungfrau ist und dass sie das aus eigenem Willen getan hat, stößt ihn das – innerhalb der fiktiven Welt und ihrer Konventionen plausibel, fast zwingend – ernsthaft zurück, und die beiden finden erst zum Romanende wieder zueinander. Überhaupt ist das Verhältnis der Figuren zum Göttlichen eine Stärke der Schwerter-Tetralogie, die auch hier immer wieder aufblitzt. Diese Figuren nehmen ihre Götter tatsächlich ernst, und besonders die nach einem mittelalterlichen scholastischen Christentum gemodelte menschliche Hauptreligion. Sie handeln in diesem Rahmen und suchen sich auch ihre Wege, am eigentlichen Wort des Glaubens vorbeizuhandeln. In diesem Rahmen wirken sie also meist, mit Ausnahme des Anfangs der Teenager-Lovestory, auch wenn sie gegen die herrschende Ordnung handeln, nicht einfach wie moderne Menschen, deren Fühlen und Denken in die Welt projiziert wird, sondern eher wie solche aus Goethes Anekdote zur Diskussion zwischen den Frankfurter Protestanten und dem italienischen Katholiken darüber, wie die Protestanten es eigentlich hinbekommen, auch ohne Beichte fremdzugehen (cf. italienische Reise).

„Der Engelsturm“ liest sich für einen weiteren 1000-Seiter erstaunlich kurzweilig und bringt die Reihe zu einem gelungenen Abschluss. Überhaupt haben die großen Schwerter nicht enttäuscht. Nach dem Durchhänger im ersten Band, der mich bekanntlich zweimal dazu gebracht hat, die Reihe abzubrechen, hält das Ganze insgesamt ein ordentliches Niveau und bügelt sogar viele im ersten Band kritisierte Schwächen aus. Wer High Fantasy mag und keine Lust hat auf eskalierende Handlungsstränge oder Romane, die niemals fertig werden, wird hier von denen, die sich nach Tolkien als die quasi kanonischen Größen des Genres etabliert haben (Jordan, Martin, Sanderson, Abercrombie und eben Williams), mit am besten bedient.

Bild: Wikiart, gemeinfrei.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..