Ein unerwarteter Kunstfilm. „Rocky“ (I). Movie Monday.

Nachdem ich bei einem Rewatch alle drei originalen Indiana Jones Filme relativ enttäuschend fand, und zwar sowohl handwerklich als auch auf der Ebene des Erzählten, haben mich die Rocky Filme, zumindest der erste und mit Abstrichen der zweite, sehr positiv überrascht. Dabei bin ich nicht hundertprozentig sicher, ob ich diese Filme überhaupt schon einmal gesehen habe oder in der Zeit, in der ich noch einen Fernseher hatte, aber man nicht ständig Rezensionen im Internet nachgeschlagen hat, vermieden, weil ich den filmischen Reiz von zwei halbnackten Typen, die sich verprügeln, nicht wirklich nachvollziehen konnte. Mittlerweile wusste ich natürlich, dass zumindest der erste überhaupt ein ziemlich guter Film sein sollte, aber das sagt man ja heute von vielen Filmen, besonders wenn es darum geht, neuere schlechtzureden.

Aber Rocky ist eben nicht einfach nur ein „guter Film“, wie die Original Indiana Jones oder Star Wars Filme als gute Filme gelten, also Dinge, an die man sich aus seiner Jugend erinnert und die einen damals gut unterhalten haben. Rocky ist ein guter Film. Er gehört weniger in die Reihe von Unterhaltungsprodukten für die ganze Familie als in eine Reihe mit anspruchsvollen Hollywood-Filmen wie „Die zwölf Geschworenen“, der Pianist oder American Beauty.

Es ist vor allem und in erster Linie ein unglaublich unorthodoxer Film. Der sogenannte „Inciting Incident“ oder „Plot Point 1“, der nach allen Ratgebern für gute Drehbücher spätestens in Minute 15 kommen sollte (manche sagen auch Minute 30), kommt hier überhaupt erst in der Mitte des Films. Zuvor wandert Rocky durch Philadelphia, spricht mit einer Person auf der Straße, besucht ein paar Mal ein Tierheim, beschäftigt sich mit den Tieren und flirtet sehr untalentiert mit der Verkäuferin Adrian. Es geht überhaupt nur um zwischenmenschliche Interaktionen und Bilder.

Und die Bilder! Selten habe ich einen Film gesehen, der die Atmosphäre einer Stadt und besonders der heruntergekommenen Viertel dieser Stadt zugleich so stark und so unprätentiös einfängt. Man hat einerseits das Gefühl, hier folgt tatsächlich jemand einem Boxer mit der Kamera, und zugleich gibt es so viele Szenen, so viele Momente, die man als Standbild festhalten möchte. Jede Perspektive ist wohlkomponiert, fängt über die Umwelt die Stimmung der Hauptfigur ein, und dabei möchte ich noch gar nicht viele Sätze darauf verschwenden, wie das noch einmal von der Musik unterstrichen wird. Die Musik lässt das Rocky-Thema in so vielen melancholischen Variationen erklingen, bis gegen Ende des Films überhaupt zum ersten Mal die bekannte, temporeiche Variante auftaucht.

Die Art und Weise, wie die Figuren durch kleine Verhaltensweisen charakterisiert werden, die Sänger auf der Straße, der säumige Schuldner, Adrian und ihre Chefin und natürlich die Hauptfigur, ist superb. Rockys Obsession mit dem Ball, mit dem er immer spielt, seine lustigen kleinen Versprecher, wenn er Redewendungen falsch nutzt („I have eyes like a Beagle“), die aber nie tatsächlich als Witze präsentiert werden, sondern als kleine Momente, die man beinahe verpassen würde und dann doch schmunzelt, Kameraarbeit und Regie machen Rocky zu einem Meisterwerk.

Und die Hauptfigur ist großartig. Rocky ist kein Boxfilm, sondern ein Anti-Box-Film. Die Hauptfigur ist ein liebenswürdiger Außenseiter, der sich schlagen muss, weil er nichts anderes kann. Es geht, vermittelt und ohne ein Wort der Predigt, um soziale Strukturen, um eine Welt, die uns immer wieder zwingt, das Beschissene zu tun, von dem wir wissen, dass es uns schadet.

Misslungen ist allein das Make-up. In Rocky 1 ist Rocky in einer Weise geschminkt, die dann in Rocky 2 in etwa dem entspricht, was aufgetragen wird, als Rocky für einen Werbefilm geschminkt wird und sich selbst total überschminkt. Keine Ahnung, warum man das gemacht hat.

Rocky 2:

Der zweite Film hält größtenteils das Niveau. Die Struktur ist ähnlich unorthodox mit einer Hinwendung zum Kampf erst in der zweiten Hälfte, während die erste Hälfte sich vor allem mit dem Ringen eines One-Hit-Wonders um ein glückliches Familienleben, das finanzielle Auskommen und so weiter beschäftigt. Dabei ist für Rocky vor allem eines klar: Er will nicht wieder kämpfen.

Der Film dürfte vor allem darunter leiden, dass Sylvester Stallone diesmal selbst Regie geführt hat. Zwar trifft er noch die Ästhetik des ersten Teils, aber der Bildaufbau wirkt weniger kalkuliert. Es gibt keine Momente mehr, die man sich tatsächlich als Screenshot an die Wand hängen möchte. Es war aber genau diese Spannung zwischen Schönheit im Bildaufbau und der Heruntergekommenheit der Szenerie, die dieses letzte Moment Brillanz in Rocky 1 ausmacht, das Rocky 2 nun fehlt.

Mit dem dritten Film bewegt sich die Reihe dann plötzlich ganz in die Sphären des klischeehaften Sportfilms. Die Charakterzeichnungen werden spürbar platter, die Bilder uninteressanter, die mittlerweile dritte Inszenierung einer ähnlichen Geschichte greift nicht mehr. Ob ich weitere Teile schauen und besprechen werde, bin ich mir unsicher und hängt davon ab, was ich sonst so in nächster Zeit an guten Filmen und Serien finde.

Bild: Pixabay.

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