Das Fandom als Halt? „Idol in Flammen“ von Rin Usami.

„Idol in Flammen“ von Rin Usami ist eine interessante kurze Erzählung von knapp 100 Seiten über eine junge Frau, die Fan eines japanischen sogenannten „Idol“ ist. Was das genau bedeutet ist nicht ganz einfach festzumachen. Dem Roman nach handelt es sich um das Mitglied einer gemischten jungen Musikgruppe, die aber nicht als Musiker gelten, weil sie auch noch allerlei andere Dinge machen, Teilnahme an Talkshows, Schauspiel in Film und Theater und so weiter und so fort. Die Mitglieder werden wohl sehr explizit durch Talent-Agenturen herangezogen. Ich habe versucht, etwas mehr zu Hintergründen zu recherchieren, und sowohl Wikipedia in Englisch als auch in Deutsch beschränken die japanische Idolkultur fast ausschließlich auf Frauen, die entweder in entsprechenden Musikgruppen aktiv sind oder ähnlich wie Models für ihre Schönheit verehrt werden. Während das, was im Roman beschrieben wird, mehr mit dem zu tun zu haben scheint, was auf Wikipedia unter „Idol – koreanisch“ zu finden ist. Möglicherweise hinkt Wiki aber einfach mal wieder der historischen Entwicklung hinterher. So oder so, was im Buch beschrieben ist, lässt sich durchaus zu 95% auf westliche Fans beispielsweise von Boygroups in den 90er/00er-Jahren übertragen, die ja auch oft nicht nur sangen, sondern die Mitglieder als Marke auf allerlei Weisen vermarkteten. Der interessanteste Unterschied dürfte die Ritualisierung sein: Die Idole werden als solche vermarktet, „Idol“ ist ein stehender Begriff und jeder Fan hat genau ein Idol zu haben. In regelmäßigen Abstimmungen werden Idole gegeneinander gestellt, sodass die Gruppe noch mehr Merch und CDs verkauft, denn Stimmkarten bekommt man mit den CDs. Und während zumindest zu Beginn der US/EU-Boygroupwelle geheim gehalten wurde, dass diese Gruppen zusammengecastet waren, scheint das bei den Idolen zum Prozess dazuzugehören. Wobei ich natürlich nicht ausschließen möchte, dass der Roman wiederum das Idolwesen noch überspitzt.

Genug des Exkurses. „Idol in Flammen“ beginnt mit der Nachricht, dass Idol Masaki einen Fan geschlagen haben soll. Das erschüttert wiederum die Protagonistin, und der Roman folgt ihrem Umgang mit dieser Sache. Denn sie will unbedingt zu ihrem Idol halten. Ob es diesen Schlag wirklich gab, und welche Gründe es dafür gab, steht dann gar nicht wirklich im Mittelpunkt und wird niemals aufgelöst. Stattdessen geht es um das Leben der Protagonistin, die eigentlich auch noch andere Probleme hat als ihr Idol. Sie ist schlecht in der Schule, schafft den Abschluss nicht, die Großmutter stirbt und die Eltern machen Druck, dass sie endlich etwas aus ihrem Leben machen soll. Außerdem scheint sie an irgendeiner Art von psychischer Problematik zu leiden, denn an mindestens einer Stelle verteidigt sie sich, indem sie Ihren Arzt zitiert. Der habe gesagt, dass sie eben nicht in der gleichen Art, Weise und Umfang wie andere Menschen Aufgaben bewältigen könne. Ihr Fandom scheint gewissermaßen auch ein Coping-Mechanismus zu sein, etwas, auf das sie sich nicht nur mit Begeisterung stürzen sondern auch in einer Weise konzentrieren kann, wie andere auf die Schule oder ihre Arbeit. Dennoch scheint zum Schluss hin ein gewisser Ablösungsmechanismus stattzufinden, obwohl auch hier absolut unklar bleibt, wohin der führen wird, in ein Leben abseits der Idol-Band oder ins Nichts.

Der Text ist gut gearbeitet und hat tatsächlich keine der Kinderkrankheiten, die man von einer erst 21-jährigen Autorin erwarten könnte. Es wird sich auf das Thema beschränkt, die Hauptfigur und ihre Hauptbezugspersonen werden klar umrissen, und eine Handlung entwickelt, die diese Figuren glaubhaft werden lässt. Es gibt einige wenige poetische Momente, ansonsten liest sich das Ganze wie ein spannendes Tagebuch. Zwar wahrscheinlich keiner dieser Texte, die man mehrfach in die Hand nehmen will, es sei denn, man hat vielleicht eine ähnliche Fangeschichte durchlaufen. Aber durchaus sein literarisch gelungener Einblick in die Psyche eines Fans, der dabei weder herablassend noch voyeuristisch ist.

Bild: Pixabay

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