Clemens Meyer – Im Stein – Avantgardistischer Naturalismus

Durchaus mit einigem Enthusisasmus endlich mal Meyers Im Stein aus der Bibliothek geholt. Der Enthusiasmus schwindet schnell. Ja: Meyer hat seinen Joyce, Dos Passos usw. gelesen. Doch was er aus dem routiniert heruntergeschraubten Repertoire der Moderne destilliert ist ein schrecklich konstruierte Als-ob-Roman – als ob es nämlich genügte sich Verfahrensweisen anzueignen und dann damit vor allem die ultimative Milieustudie hinzubiegen. Ich will die Schwächen gar nicht ellenlang auswalzen, die besser bewerteten negativen Amazon Rezensionen geben einen Eindruck.

Allgemeineres scheint von Interesse: in der Folge der literarischen Moderne haben sich zwei Arten mit deren Hinterlassenschaft umzugehen eingebürgert. Da sind Autoren wie Meyer, dem unter anderem Foster Wallace, Biller und vll Tellkamp beizuordnen wären. „Avantgardistische“ Naturalisten, denen es darum geht jetzt! aber! endlich! das immer gleiche Elend ganz realistisch wie es wirklich ist wiederzugeben. Dass die Form des Materials einem anderen als realitätsgebundenen künstlerischen Zweck zu genügen hätte, dass ihre großen Vorbilder gerade nicht kolportierten, sondern komponierten, geht ihnen völlig ab.

Ein Joyce (bedingt), ein Llosa, Rushdie, Kurzeck ziehen die Erfahrungswelt durchaus breit als Anlass heran und sind an diesem Material dann mit dem Meißel zugange bin bis ein durchgeformtes Kunstwerk dasteht. Die Meyers dieser Welt schaffen dagegen vor allem möglichst viel Material heran und wenn ihr Roman aussieht wie ein Hinkelsteingarten, den Obelix angelegt haben könnte, sind sie zufrieden.

Am Ende versagt diese Widerspiegelungsavantgarde auf breiter Front. Denn auch das Begreifen der Mitwelt des Lesers, worauf Literatur dann ja doch wieder abzielt, gelingt dem durchformten Werk besser. Einmal, weil Begreifen etwas anderes ist als Aufzählen. Und dann, weil wer Manhattan Transfer enthusiastisch zu Ende liest mit ein wenig Selbstachtung Im Stein nach 100 Seiten nicht mehr anrühren wird. 1

1 Und selbst wenn man mal nur gelungene Mimesis als Maßstab heranzieht heranzieht fällt auf, dass Meyers Trickkiste beggrenzt ist, immer nur fortlaufende Sätze, und Reihungen mit und, und das alles, für fingierte Mündlichkeit, also, gut, ein also dann und wann auch noch mit eingeschoben, sag ich mal, und dann sind all seine Outsider so gebildet, also so mit Marx und Smith und Keynes und so und können immer so richtig passend Vergangenheiten aus dem Hut zaubern, also, das eben fast noch eine richtige Exposition möglich ist, und man ganz vielen Hintergrundinfos kriegt und so, so das….

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