Pop & die Maschine: Mitchel vor & Nach Blue

Joni Mitchel in die „jazzige“ (bzw. poppigere) Zeit nach Blue bzw. For the Roses nicht mehr folgen zu wollen ist vielleicht mehr als nur eine Geschmacksfrage. Es ist eine Frage des Verhältnisses von „Kunst“ und „Freiheit“.

Wie kaum eine andere Musikerin (oder Musiker) nach ihr hielt Mitchel auf ihren größtenteils arkustischen Songwriter-Alben Melodieführung und Rhythmik in einer fragilen Schwebe. Im Zweifel zwingt die Stimme die moderaten, meist selbst eigentlich melodischen Rhythmuselemente von Gitarre, Klavier oder Dulcimer, ohne jedoch ganz auszubrechen. Und selbst wo dann doch die Rhythmik wieder die Melodie einfängt geschieht das nicht schematisch, sondern abgestimmt auf den jeweiligen Ausdruck. Musik als sanftes Ringen mit selbstgegebenen Grenzen.

Ab Court and Spark und sogar noch bei dem so hoch geschätzten The Hissing of Summer Lawns dagegen wird der Beat der alldominante und schematisch äußerliche Taktgeber. Dagegen kämpft die Stimme mittels ungewöhnlicher Stauchungen ganzer Liedzeilen in wenigen Noten und gewaltigen Streckung auf der anderen Seite,die nun allerdings kaum noch Eigendynamik entfalten können. Oder sie schwebt über den Beat & am Beat vorbei. Der monotone Rhythmus der Außenwelt ist immer schon da. Selbst wo der Text dagegen protestiert marschiert die Musik.

Ein individualistischer emphatischer Freiheitsbegriff oder die Sachzwanglogik der freiwilligen Konformität? Nicht nur die (westliche) Welt, auch die Musik einer der ganz großen Ikonen des antiautoritären Aufbruchs hatte sich entschieden. Und sei’s auch folgerichtig, weil eben Kunst allein nicht das ganz Andere schafft, und der mit der Welt fremdelnde Idealismus auch des besten Singer-Songwritertums längst notwendig zum Kitsch erstattet war.

Entscheidend: Es gibt gute Gründe – wenn auch nostalgisch – an der „frühen“ Mitchel festzuhalten, die nichts mit fragwürdigem Authentizitätsfetisch zu tun haben, obwohl Mitchels weitere Entwicklung wohl durchaus konsequent war.

Zu Gunsten der späteren Alben freilich ließe sich einwenden, dass Pop genau davon ausgemacht werde, dass die strukturellen Bedingungen der Massenproduktion ganz tief ins Werk eindringen und die dennoch produktive Auseinandersetzung damit die Hürde ist, die ein großes Stück Pop zu nehmen hat. Und das gelang Mitchel durchaus besser als minderen Künstlern, die im Pop eher beheimatet sind.

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