Loben ist leicher (!) als Meckern

Man glaubt das Gegenteil, wenn man mit Anfang 20 aus seinem ersten Cultural Studies Seminar stolpert und diesem Romancier seine Frauenfeindlichkeit nachzuweisen glaubt, jener Lyrikerin ihren unterschwelligen Rassismus. Aber die Schwächen eines Werkes glaubhaft zu machen ist deutlich schwieriger als die Güte eines Werkes auszuweisen. Oder: Zu zeigen inwiefern ein Kunstwerk im Konkreten mit seiner allgemeinen Anlage übereinstimmt ist eine durchaus machbare Aufgabe. Fast eine Fleißarbeit, hat man – diese winzige Einschränkung ist zu machen – das Werk einmal selbst begriffen. Wie etwa in der Fensterrose der Tritt der Katzen, der irrend-kreisende Blick, der Reimstruktur und den Zeilensprüngen in den beiden Quartetten des Sonett entsprechen, wie das Bild dann im Kreisen des Wirbels verdichtet wird, scheinbar zur Ruhe kommt um nochmal wild aufzuflackern:

wenn dieses Auge, welches scheinbar ruht,
sich auftut und zusammenschlägt mit Tosen
und ihn hineinreißt bis ins rote Blut

und endlich sprachlich umschlägt ins beruhigte Allgemeine der Schlusszeilen

So griffen einstmals aus dem Dunkelsein
der Kathedralen große Fensterrosen
ein Herz und rissen es in Gott hinein.

das lässt sich wohl belegen. Auch dass die tradierte Form des Sonettes hier klug gewählt ist. Wie vielen anderen Sonetten der Neuen Gedichte diese Perfektion dagegen abgeht, ja, das belege man bitte einmal anhand der Abwesenheit einer Kongruenz von Form und Inhalt… Nichtsein beweisen ist schwierig, und wird gerade bei populären Gegenständen natürlich auch viel kritischer beäugt, viel heftiger abgewehrt.

Die Auseinandersetzung mit Dylan im letzten Jahr stieß zudem auf das Problem, dass eine gewisse Sakralisierung des Banalen stark in Mode gekommen ist. Gerade fehlende Virtuosität, dass Reime schon hundertmal gemacht wurden und überhaupt Nachlässigkeit in der Komposition wird da zum Ausweis der Qualität, zu alternativen Kulturkritik. Das ist nicht immer falsch, und will von Mal zu Mal wohl überprüft werden! Es birgt allerdings auch die Gefahr eines Personenkultes in sich, bei dem man „Literatensängern“ durchgehen lässt, was man Baudelaire gleich wie Bohlen nie durchgehen ließe. Aber wer wollte beweisen, dass Zweiterer nicht eine einzige fleischgewordene De(kon)struktion des Pop und seiner Mechnismen ist? Nichtsein beweisen ist schwierig.

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