Odessa als Hauptperson. „Die Fünf“ von Vladimir Jabotinsky

Die Fünf von Vladimir Jabotinsky ist eines dieser seltenen herrlichen Bücher, die wenig Handlung haben, mehr aber eigentlich auch nicht brauchen und dennoch als geschlossenes Ganzes gelingen. Die eigentliche Hauptfigur dieser Geschichte(n) von fünf Geschwistern einer Familie ist Odessa zwischen Jahrhundertwende und russischer Revolution. Ein Schmelztiegel der Kulturen voller Konflikte und unerwarteter Allianzen, geprägt von einer starken jüdischen Gemeinde und einer Sprache, die sich auf Basis des Ukrainischen zu einem von verschiedensten Sprachen durchsetzten Dialekt gewandelt hat. Jabotinsky hängt entlang der Lebensstationen der Geschwister lose Alltagsgeschichten auf, führt auf Märkte, in die Hafenviertel und in die Wohnungen des Kleinbürgertums. Und mit der Zeit kommt dann sogar tatsächlich noch so etwas wie eine Handlung in Fahrt, die fast alle Familienmitglieder tragisch enden lässt, die dauernde Bedrohung des Antisemitismus ins Gedächtnis ruft und die zionistische Bewegung ankündigt. Ein wunderbar dichtes Panoptikum, so schön, wie brutal. Ja, es schwingt die Neigung zum Pathos mit, doch die scheint in dieses Odessa ganz natürlich zu gehören.

Natürlich veröffentliche ich diese Kurzbesprechung nicht zufällig heute. Ich habe sie wiederentdeckt, als ich über den russischen Krieg gegen die Ukraine nachdachte und darüber, dass auch die Menschen in Odessa zur Zeit um ihr Leben fürchten.

Bild: Pixabay.

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