Trump & die Rechten sind schuld. „Don’t look up“ ist ein erbärmliches selbstgerechtes Machwerk.

Heilige Scheiße. Ich habe mir also “Don’t look up” reingezogen. Direkt bei Erscheinen. Was für ein erbärmliches Machwerk. Gott, tut das beim Zusehen weh. Der Film hat offenkundig nur eine Daseinsberechtigung als Satire auf die zögerlichen Maßnahmen und den öffentlichen Umgang mit der Corona Pandemie (oder wahlweise den Klimawandel – beides gleicht sich aber sowieso erschreckend). Tatsächlich ist er nicht mehr als eine über zweistündige Variante eines Memes, das ich bereits vor gut anderthalb Jahren und sicher nicht als einziger gebastelt hatte. Ein Komet rast auf die Erde zu und statt sich dem heroisch zu stellen, wie in Deep Impact, reagiert die Menschheit mit Ausflüchten und Relativierungen. In einem einzelnen Bild ist das ganz witzig. Zwei Stunden hat es nicht verdient.

Zumal, wenn man sie auswalzt, die Kometen-Metapher ihre Untauglichkeit als Vergleich mit der Pandemie offenbart. Schlimm genug. Vor allem aber ist dieser Film ein so unerträgliches linksliberales selbst Beweihräuchern, dass ich mir nicht einmal vorstellen kann, dass ihn linksliberale GefühlsbürgerInnen ohne Fremdschaden über die dort präsentierte Selbstgerechtigkeit anschauen können. Wenn dieser Fremdscham von einigen angenommen und als recht eigentlich eigene Scham erkannt wird dann tut „Don’t look up“ vielleicht sogar noch etwas Gutes.

Exkurs – In der Pandemie gibt es keine „Bösen“

Wie so oft, wenn Bürgerliche auf der Seite des Guten stehen wollen, fehlt größtenteils jegliche Analyse, die Kritik vorausgehen sollte und wo analysiert wird, wird falsch analysiert. Das Versagen der Corona-Politik vor allem der westlichen Länder und der sogenannten Schwellenländer, die sich dem westlichen Kurs verschrieben haben, ist kein Versagen aus Bösartigkeit, sondern ein systemisches. Eine schädliche Kombination aus einem Freiheitsverständnis, das darunter bloß den Kampf aller gegen alle versteht, aus historische Überheblichkeit, die die westlichen Länder immer wieder daran hindert, frühzeitig von als unterlegen betrachteten Staaten zu lernen, sei es das nominell sozialistische China, seien es afrikanische Staaten, die ihre Erfahrungen mit der Bekämpfung von Ebola gemacht haben.

Hinzu kommt eine genuin romantische Verklärung der Natur, die immer als dunkler Unterstrom des kapitalistischen (Zweck-)Rationalismus existiert hat. Beide Seiten sind sich oft erschreckend einig in einer prinzipiell eugenischen Perspektive auf das Leben. Es sterben eben „nur“ die Alten und Kranken. Die Menschen mit sogenannten Vorerkrankungen. Die Menschen mit Migrationshintergrund bzw. in den Vereinigten Staaten die Nachfahren der Sklaven und der Ureinwohner, die im Schnitt öfter in Verhältnissen leben, in denen man sich schlechter schützen kann und die in eben solchen Jobs arbeiten.

Entsprechend sind die Fronten auch nicht so klar geteilt in Querdenker und Vernünftige, wie es der öffentliche Diskurs uns gerne vor macht bzw. sich gerne selbst einredet. Es ist z.b. kein Zufall, dass zwar nicht unbedingt das krasseste Querdenkertum (teilweise allerdings auch) aber doch ein sich stetiges Stemmen gegen schärfere Maßnahmen und ein sehr heftiges Bestehen darauf, doch bitte auch in den heftigsten Momenten der Wellen auf Bühnen stehen zu dürfen, aus den Kreisen der Kulturindustrie kommt. Traditionell eigentlich ein eher linksliberales Milieu, das sich selbst sogar für tatsächlich links hält. Dass arbeiten dürfen, also weiter als Einzelkämpfer gegen andere Einzelkämpfer stehen, oft für sehr geringe Einnahmen, und dabei möglicherweise viele Menschen gefährden, der Weg aus der Krise sei und nicht etwa Solidarität, das ist in der Branche mit dem wahrscheinlich höchsten Gini-Koeffizienten in der westlichen Welt ja durchaus bemerkenswert. Wie leicht hätten die großen Fische im Kunstteich, wo die staatlichen Hilfen oft so mangelhaft organisiert waren, selbst KünstlerInnen-Fonds auflegen können. Die Millionäre und Milliardäre, die mit Filmen und Plattenverkäufen undsoweiterundsofort sicher auch während Corona keinen schlechten Schnitt machen. Warum nicht einmal ein oder zwei Jahre vom Einkommen einer durchschnittlichen Kreissparkassen-Chefin leben und dafür die alimentieren, die tatsächlich von Tag zu Tag strampeln müssen? Nichts davon ist passiert. Wenn überhaupt legten lokale Initiativen mit wenig Geld private Unterstützungsprogramme für KünstlerInnen mit wenig Geld auf. Die Kunst ist nur ein Beispiel. Man kann in alle Bereiche der Gesellschaft schauen und findet ähnliche Gemengelagen. In der Pandemie gibt es keine „Bösen“, und die Macht der tatsächlichen Arschlöcher wird konsequent überschätzt.

In „Don’t look up“ sind Trump und Musk schuld.

Warum dieser Exkurs? Weil „Don’t look up“ natürlich eine ganz andere Geschichte erzählt. Während der zögerliche und damit die mörderische Umgang mit der Pandemie eigentlich nie in erster Linie von der Politik ausging, sondern das Problem gerade darin lag, dass diese stets nur auf die Wutschreie von unten reagierte und diese zu kanalisieren versuchte, statt eine klare Linie vorzugeben und zu verfolgen, ist es im Film genau andersherum. Hier ist es in erster Linie die deutlich nach Donald Trump gemodelte Präsidentin, die das offenkundige Herannahen des Kometen zu vertuschen versucht. Als das dann nicht mehr geht, soll tatsächlich eine Abwehr-Mission gestartet werden. Diese wird dann aber, als der Komet sich als Goldgrube seltener Metalle entpuppt, in eine Ernte-Mission umgewandelt. Ja, es gibt die Zweifler aus der Bevölkerung, einige leugnen sogar die Existenz des Kometen, es werden Witze darüber gemacht, dass sich die Öffentlichkeit lieber mit der nächsten Beziehungskrise irgendwelcher Stars und überhaupt mit SocialMedia beschäftigt. Aber auch hier sind die Fronten klar. Es gibt die, die auf die Wissenschaft hören, das sind normalerweise auch die guten und sozialen Menschen, und es gibt die relativ deutlich nach den Make-America-great-again-Reaktionären modellierten Kometenleugner und die gierigen “Wir freuen uns auf die Jobs, die der Komet uns bringt” – Konservativen. Ja, der männliche Teil des Wissenschaftler-Duos, das den Kometen entdeckt hat, wird eine Zeit lang auf die Seite des „Bösen“ gezogen. Aber das ist schon alles, was der Film sich an Zwischentönen erlaubt.

Bitte, bitte, sagt mir, dass ihr nicht wirklich zu hören könnt, wie der konservative Berater des Präsidenten Dinge sagt wie: „There is you, the working class and us – the cool rich. And them”, ohne dass es euch im ganzen Körper schmerzt. Ich glaube noch nie wurde so plump die sowieso schon plumpe Botschaft eines Films noch einmal von einer der Hauptfiguren zusammengefasst. Das muss euch doch weh tun. Oder wenn ernsthaft Ariana Grande in einem in diesem schmalzige Einheitstonfall gehaltenen Popsong trällert: „Get your head out of your ass and listen to the qualified scientists” Fickende Hölle! Das könnte witzig sein, wenn „Don’t look up“ sich über diese Selbstgerechtigkeit eben auch ein bisschen lustig machen würde. Aber dem ist nicht so. Die Selbstgerechtigkeit der „Guten“ wird ganz geradlinig als Gutheit präsentiert. Lustig sein soll bloß, wie dumm sich die dummen Kometenleuger verhalten.

Der Rest der Welt? Existiert nicht.

Und natürlich ist der Film auch im globalen Maßstab selbstgerecht. Besteht denn im Jahr 2021 die Welt noch immer nur aus der USA? Ein Komet ist keine Pandemie, in der, wenn sie nicht weltweit bekämpft wird, stets neue Varianten entstehen. Was also hindert beispielsweise China daran, den Eisbrocken kurzerhand aus seiner gefährlichen Bahn zu blasen? Ganz spät wird kurz ein misslungener russischer Versuch erwähnt. Es gibt allerdings mittlerweile sechs Staaten in der Welt mit voller Startkapazität für eine ganze Reihe von Raketen. Und noch eine deutlich größere Anzahl mit teilweiser Kapazität. Wenn der Komet weg ist ist er weg. Nicht wie ein Virus, mit dem die Staaten, die es nicht in den Griff bekommen, dauerhaft auch jene weiter bedrohen, die die Pandemie unter Kontrolle haben, was etwa für fast den ganzen ostasiatischen Raum gilt.

Normalerweise wehre ich mich dagegen, Kunstwerke in erster Linie nach ihrer Politik zu beurteilen. Doch „Don’t look up“ ist nur Politik. Ein einziges schlecht durchdachtes Statement, das sich über mehr als zwei Stunden zieht. Und dabei noch nicht mal lustig. Ich konnte nicht einmal lachen. Das liegt an dem ganzen Pathos, das in das Werk geflossen ist und das jeden Humor ertränkt.

Wo bleibt der Witz?

Vor 20 Jahren wäre ein solcher Film wahrscheinlich als Low-Budget-Produktion entstanden. Vielleicht sogar mit etwa den gleichen blinden Flecken. Aber allein die Art der Inszenierung, mit höchstens halbprofessionellen Schauspielern, schlechten Spezialeffekten und einer ganzen Reihe an dümmlichen überzogenen Witzen hätte für eine gewisse ironische Distanz zum Thema gesorgt. Vielleicht wäre es dann tatsächlich eines dieser „So bad it’s good“-Werke geworden, die man sich mit viel Spaß anschauen kann. Aber „Don’t look up“ will eben gar nicht lustig sein. Oder besser: Unter „lustig sei“n versteht der Film vor allem sich lustig machen. Das Signal an die Zuschauer: „Schau mal, wie dumm der Teil der Menschheit ist, zu dem du dich nicht zählst.“ Situationskomik, Wortwitz, unerwartete Pointen oder Wendungen – all das findet einfach nicht statt. Dieser Film will in erster Linie ergreifen und dabei greift er ins Klo.

Schau in den Spiegel & ZeroCovid-Exkurs

Wer mich kennt, weiß, dass ich von Anfang an immer wieder für eine scharfe Bekämpfung der Pandemie plädiert habe. Das Konzept ist einfach und bis heute gültig. Man bringt die Fälle einmal gegen Null und steuert dann nur noch mit lokalen Einschränkungen entgegen, sobald auch nur ein einziger Fall auftritt. Das ist, was ZeroCovid-Initiativen propagieren. Nicht ein brutaler Dauerlockdown für die Ewigkeit. Im Gegenteil: So hat man im Großteil des Landes oder wenn die Welt einmal zusammenarbeiten könnte in der ganzen Welt über die meiste Zeit ein deutliches Mehr an Freiheit, das in der gleichen Weise mit Einschränkungen punktuell erkauft wird, so wie man auch bei einem Feuer in der Kölner Innenstadt nicht Frankfurt abriegeln würde, aber auch nicht auf die Idee kommen würde, nach der Freiheit zu schreien, im brennenden Media Markt in Köln einzukaufen, solange dieser eben noch brennt (daher wird es hier auch keine Diskussionen geben, ob sowas nur auf Inseln und in Diktaturen funktioniert. Jedes Land, das das Prinzip von Feuerwehr oder Bombenentschärfung versteht, ist ZeroCovid-fähig. Nichts daran muss autoritär werden).

Ich habe also sicher nichts gegen eine Satire, die sich über die katastrophale westliche Corona-Politik lustig macht. Eine Politik, die immer wieder ein sehr kurzfristiges Konzept von Freiheit gegen Sicherheit ausspielt, und dadurch seit 2 Jahren in der schlechtesten aller Welten verharrt. Ohne Freiheit. Ohne Sicherheit.

Aber dieser Film ist eben keine Satire darauf. Nicht auf die Menschen, die mit den besten Absichten immer wieder eine bessere Corona-Politik fordern, aber sich dann doch den Flug nach Lanzarote im Herbst nicht verkneifen können. Die dann doch mit den besten Freunden in der schlecht belüfteten WG zu Silvester zusammen kommen müssen. Ich erspare mir die zahlreichen Beispiele allein aus meinem Umfeld. Stattdessen sucht „Don’t look up“ einen Sündenbock und findet den billig im rechtskonservativen Amerika. Ich habe absolut keine Sympathien für dieses Spektrum, doch auch wenn graduell liberal-konservative Corona-Politik schlechter aufgestellt gewesen sein mag linksliberale – So groß ist der Unterschied nicht. Es werden immer wieder die gleichen Fehler gemacht, da diese Fehler aus dem Selbstverständnis der westlichen Gesellschaften erwachsen. Aus dem Prinzip, nach dem zu existieren man uns seit frühester Kindheit einbläut. Die Schuldigen am langen Andauern der Pandemie sehen wir alle jeden Morgen im Spiegel. Einige sind schuldiger als andere, und sicherlich sind die sogenannten Querdenker in Deutschland sowie ihre Äquivalente in anderen Staaten eine anstrengende (und zunehmend von Nazis durchsetzte) Bewegung. Auf das Fortdauern der Pandemie hatten sie aber wahrscheinlich deutlich weniger Einfluss, als all die Gemäßigten, die durchaus bereit sind, für ein paar Wochen, wenn es mal wieder so richtig heftig aussieht, stärkere Maßnahmen mitzutragen, die aber nie bereit waren bei sinkenden Fallzahlen noch zwei oder drei Wochen auszuharren und dann ein konsequentes Zonenkonzept zu fordern, das hier und da noch lokale Einschränkungen mit sich bringen könnte. Denn die nächste Party wollte gefeiert werden. Das Festival im Sommer musste eben stattfindet. Man hatte den Urlaub doch schon geplant. Wiederum: Und so weiter und so fort.

„Don’t look up“ ist ein erbärmlicher Film. Erzählerisch sowieso vollkommen dysfunktional. Als politisches Statement reine Selbstbeweihräucherung.Aber immerhin legt er den Finger darauf, dass die westlichen Gesellschaften und eben auch jener Teil der westlichen Gesellschaften, der sich für aufgeklärt und kritisch hält, noch immer nicht fähig ist die sozialen und psychologischen Dynamiken und die politische Ökonomie zu begreifen, die hinter der Unfähigkeit eben dieser Gesellschaften stehen, auf die Corona-Pandemie adäquat zu reagieren. Und damit auch auf die nächste bzw. parallele große Krise, die Klimakrise, die eben auch nur effektiv wird bekämpft werden können, wenn man diese Dynamiken begreift und durchbricht.

Und damit keine Missverständnisse aufkommen. Ich spreche hier von dem Milieu, das man in den USA einfach „liberal“ nennt, und das ich mit Blick auf Deutschland „linksliberal“ oder auch „bauchlinks“ nenne. Ich spreche nicht von Gruppen wie beispielsweise den Fridays for Future, deren Aktive an der Basis, zumindest soweit ich mich persönlich mit ihnen unterhalten habe, diese Problematik durchaus begriffen haben.

Das Haifischbecken „Gesellschaft“ – Bessere Pandemie-Filme

Starke Filme, die sehr viel mehr von den Dynamiken bezüglich Corona oder Klimawandel verstehen, gibt es übrigens schon. Steven Spielberg hat gleich zwei davon gedreht. Sowohl „Der weiße Hai“ als auch etwas eingeschränkter „Jurassic Park“ untersuchen genau die Art und Weise, wie aus einer Verabsolutierung der persönlichen ökonomischen Interessen oder der scheinbaren Interessen einer Gemeinde sowie der Unterschätzung einer Bedrohung sich eine Katastrophe entspannen kann. Sie funktionieren auch deshalb erzählerisch viel besser, weil ein mörderischer Hai oder Dinosaurier eben tatsächlich keine absolute Bedrohung darstellen, die 100% der Menschheit auslöschen. Sondern weil man sich eben, besonders im Fall von „Der weiße Hai“, einreden kann, dass es am Ende vor allem die treffen wird, die „selbst schuld“ sind. Und genau das ist unser gesellschaftliches Mindset: auch außerhalb von Pandemien. Wem es schlecht geht, der hat schlecht gewirtschaftet. Wer nicht gesund ist, hat nicht auf sich aufgepasst. Wer früh stirbt, hat sich wahrscheinlich verzockt oder war einfach zu schwach für dieses Haifischbecken, das wir Gesellschaften nennen. Ja: Haifischbecken. Nicht Kometenbecken. Unglaublich, dass jemand tatsächlich diesen Pitch abgesegnet hat: „Wir drehen „Der weiße Hai“ noch mal, aber so richtig schlecht und der Hai ist ein Komet und Donald Trump ist Meryl Streep und der Bösewicht.“

Allein dieses Machwerk treibt mich nochmal ein Jahr in die Isolation.

Bild: Pixabay

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