Der Leser als Trottel? Jan Faktors Buchpreis-Roman ist hoffentlich ein Hoax auf Kosten des Literaturbetriebs.

„Meine Frau überspringt beim Lesen zum Beispiel grundsätzlich alle Landschaftsbeschreibungen – und das hat mir, was das Schreibhandwerk angeht, schon recht früh zu denken gegeben. Dieser Roman enthält verständlicherweise keine einzige Beschreibung von irgendwelchen Außen- oder Innenräumen, was allerdings nur mittelbar mit meiner Frau zu tun hat.“

So der Erzähler Jan Faktors in dessen Buchpreis-Shortlist-Roman „Trottel“. Man weiß also, was hier droht. Ein endloser Infodump nach dem Motto „und dann und dann und dann“. „Keine Landschaftsbeschreibungen“ ist ja gewissermaßen Trottel-Code für die Verachtung von Schönheit.

Nun gut, man hätte es auch schon vom Titel her wissen können. „Trottel“ das verspricht einen Text „in der Art des Schelmenromans“. Also ein Garant für Geschwätz. Als habe der Schelmenroman nicht seine Zeit gehabt und sei nicht lang mit Recht verstorben.
In der TAZ gibt man sich viel Mühe, nachzuweisen, dass Jan Faktors Trottelroman die Tradition des realsozialistischen „Skurrilismus“ fortschreibt, und dass auch das nicht wirklich gelingt. Ich muss diese Überlegungen hier nicht wiederholen, lest es dort nach. Mir reicht es, darauf hinzuweisen, dass der Text mit seinem pseudomodernen „ich erzähle einfach alles, was mir gerade in den Sinn kommt und mache aus diesem alles Erzählen eine Masche“ sich unerträglich lang und ebenso weilig liest. Was an historischer Auseinandersetzung mit dem Realsozialismus in Tschechien und der DDR darin stecken könnte, was an Auseinandersetzung mit dem frühen Tod des Sohns des Erzählers, wird in unendlich viel Gelaber erstickt. Dabei erklärt der Erzähler an anderer Stelle selbst:

“Seltsamerweise ist die Qualität des im Text kodierten Tons – und somit auch der Grad seiner Aufrichtigkeit – praktisch von jedermann zu erkennen; das heißt auch auf einer nicht sonderlich reflektierten Ebene. Überall nur Buchstaben, links und rechts – von jeder Stelle aus gesehen –, überall nur Zeichen, Zeichen stur aneinandergereiht, Zeichen, wohin man nur blickt – lauter tote Schrift- und Strichstaben, weit und breit also nichts als eine Strich-, Bogen- und Kringelwüste. Und trotzdem ist es ein Unterschied, ob diese Zeichen die Erinnerungen von Elias Canetti wiedergeben – egal, was für ein Ekelpaket er als Privatmann war – oder ob sie von einem Festkörperphysiker im Ruhestand stammen, der in seinem Büro unter anderem leider auch viel Festkörperlangeweile zu erdulden hatte.”

Festkörperlangeweile findet man in „Trottel“ reichlich. Aber findet dieser Roman auch einen Ton? Nicht jede Art von Geräusch ist ein Ton, und ein Ton allein reicht ja auch nicht, ein einzelner Ton, der sich immer wiederholt, nervt nur, das weiß jeder, der einmal mit Tinnitus zu tun hatte. Verschiedene, wohlabgewägt aufeinander bezogene Töne bräuchte es. Aber herrje, selbst solche, vom Text selbst vorweggenommene Kritik, ist an den Trottelroman verschwendet.

Was den zwar etwas sprunghaften, ansonsten aber hochgebildeten Erzähler übrigens zum Trottel macht, wird nicht so richtig klar. Will Faktor und sagen, dass alle, die in dieser anstrengenden Weise nach Art des Schelmenroman zu erzählen, Trottel sind? Stattgegeben, aber muss man dafür noch einen weiteren solchen Roman in den Ring werfen? Ein Satz hätte es auch doch auch getan. Oder wendet sich der Titel in Wahrheit an die Lesenden, gar an Buchpreis-Jurys, die auf die Idee kommen, einen solchen Krampf auch noch auszuzeichnen? Und der erbärmliche deutsche Kulturbetrieb schluckt natürlich wie auch schon bei Kehlmanns „Tyll“ jeden Köder…

„Trottel“ ist mal wieder eines in einer langen Liste von Beispielen, warum all die Argumente rund um Qualitätssicherung und das Aufspüren herausragender Werke, mit denen Verlage und Bildungsbürger den traditionellen Publikumsverlag verteidigen, nicht verfängt. „Trottel“ liest sich wie ein komplett unredigiertes Manuskript eines Menschen, der einfach mal alle seine Gedanken auf Papier geworfen hat. Und das wird nicht besser dadurch, dass a) der Autor bereits berühmt ist und b) diese Manuskriptartigkeit zur Masche des Textes gemacht wird. Ein unredigiertes literarisches Manuskript, sagen wir von Arundathi Roy, aus der Zeit zwischen „Der Gott der kleinen Dinge“ und „Das Ministerium des äußersten Glücks“ würde ich jederzeit lesen wollen. Ein Trottelmanuskript bleibt ein Trottelmanuskript, ob nun Masche oder einfach nur nicht redigiert.

Bild: Pixabay

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