Wird nach hölzernem Beginn stärker. “Im Fallen lernt die Feder fliegen” von Usama Al Shahmani.

“Im Fallen lernt die Feder fliegen” von Usama Al Shahmani beginnt sehr schwerfällig. Aida muss sich ständig nervigen Fragen ihres Freundes Daniel, nach ihrer Vergangenheit, ihrer Flucht, ihrem Verhältnis zum Glauben und allerlei ähnlichen Dinge erwehren. Das ist vor allem anstrengend, weil die Dialoge so unglaublich steif geschrieben sind:

“«Ja, aber auch bei euch Muslimen darf die Frau keinen Mann, der nicht Muslim ist, heiraten, oder?»
«Ja.»
«Ich bin kein Muslim.»
«Und? Ich bin nicht religiös.»
«Ja, ich weiß, aber ich frage nur. Was würden deine Eltern sagen, wenn sie wüssten, dass du mit mir lebst und mit mir auch Kinder haben möchtest? Wie würden sie das aufnehmen?»
«Ich weiß es nicht, keine Ahnung, aber ich glaube, sie wären nicht glücklich», sagte ich in der Hoffnung, das Gespräch zu beenden.
«Würden sie ihr Enkelkind anerkennen oder nicht?»
«Ich weiß es nicht, Daniel. Du fragst nach einem En­­kelkind, das weder da noch unterwegs ist. Alles, was ich dir sagen wollte, ist, dass ich die Religionen mit ihren Dogmen für etwas Radikales halte, egal, ob sie Bücher haben oder nicht. Das ist alles, was ich dir sagen wollte. Es hat nichts mit unserer Beziehung zu tun. Ich habe mich selbst aufgeklärt, und wir beide sind liberale ­Menschen. Ein Kind von uns bräuchte nicht unter dem Schirm einer Religion zu stehen. Und für mich persönlich brauche ich keine Lehren der Geschichte, um mein jetziges Leben zu begreifen. Verstehst du?»
«Ja, ich verstehe alles, außer, dass du dich sofort aufregst und eine Verteidigungshaltung einnimmst, wenn wir miteinander ein bisschen über deine Eltern oder deine Identitäten als Araberin oder Muslimin reden. In meinen Augen bist du auch radikal, weil du alles verschweigst.» Mit diesen Worten verließ er das Zimmer”

Mag sein, dass das als schweizer Kontrast zur Sprache der Eltern gedacht ist, die, besonders wann immer es um die alte Heimat, den Irak geht, sehr poetisch wirken kann. Aber es ist so steif jenseits jeglichen natürlichen Sprachflusses, dass es mich fast schon dazu gebracht hätte, dieses kurze Buch aufzugeben. Zumal dieser Daniel eben auch so ein Stoffel ist, dass man schon nach wenigen Seiten daran verzweifelt, dass die Protagonistin ihm nicht einfach den Laufpass gibt. Ich meine, klar, man kann und sollte an der Vergangenheit seiner Freundin Interesse zeigen. Aber wenn die so deutlich kommuniziert, dass es da Dinge gibt, über die sie lieber nicht spricht, startet man keine Inquisition sondern wartet vielleicht einfach einmal ab. Daniel verabschiedet sich dann erstmal in den Zivildienst und jetzt beginnt die Handlung, die der Klappentext größtenteils zutreffen zusammenfasst:

“Die irakischstämmige Aida verleugnet ihre Herkunft, was immer wieder zu Streit mit ihrem Freund führt. In ihrer Not setzt sie sich hin und beginnt aufzuschreiben, was sie nicht sagen kann. Geboren in einem iranischen Flüchtlingslager, kam sie mit ihren Eltern und der älteren Schwester in die Schweiz. Die Mädchen gehen zur Schule, aber ihre Eltern kommen mit dem westlichen Alltag nicht zurecht und verklären mehr und mehr ihre Heimat. Der Vater, ein konservativer Theologe, beschliesst schliesslich, mit der ganzen Familie in den Irak zurückzukehren. Aber was für die Eltern die Heimat ist, die sie einst verlassen haben, ist für die beiden Schwestern ein fremdes Land. Als die Ältere verheiratet werden soll, fliehen sie nun ihrerseits und gelangen als unbegleitete Minderjährige in die Schweiz.”

Dabei springt die Erzählung mehrfach in den Zeiten, deutet regelmäßig voraus und greift zurück. Die Art und Weise, wie die Eltern nach anfänglichen gescheiterten Versuchen, selbst die Sprache gut zu lernen und akzeptiert zu werden, die Integration der Kinder sabotieren und Integration quasi zum Unwort wird, während nach der Rückkehr in den Irak Integration geradezu zum Zauberwort wird und die Eltern starken Druck auf die Kinder ausüben, wird als überzeugender Erzählung entwickelt. Der Roman zeigt sich nun als dichtes Geflecht von Erfahrungen und zugleich auch sprachlich sehr viel schöner, seitdem Daniel aus dem Spiel ist.

Dass allerdings dieser Strang, der doch den Beginn so dominiert, nie zu einem befriedigenden Ende geführt wird, stört dann wieder deutlich. Ich bin mir sicher, niemand kann dieses Buch lesen, ohne von Daniel genervt zu sein. Aber gebt uns dann doch wenigstens die Befriedigung, ihn mit einem Knall aus Aidas Leben zu bugsieren. Statt ihn, wie es hier geschieht, mehr oder weniger zu vergessen, als habe auch der Autor im Verlauf der Erzählung festgestellt, dass die ferne Vergangenheit und die Zukunft interessanter sind als die jüngere Vergangenheit mit Daniel.

Bild: Pixabay.

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