Neuerscheinung: Das Kaff von Jan Böttcher. Ordentlich, unspektakulär. Kurz und doch noch zu lang.

Zu Beginn überwiegen positive Eindrücke. Die Badeszene mit der Auseinandersetzung mit den Halbstarken wirft ansatzlos in die Handlung. Das Kaff von Jan Böttcher fühlt sich tatsächlich kaffig an. Kein Reißbrett-Dorf um bestimmte Theorien zum Kontrast von Stadt und Land durch zu exerzieren, auch kein Mikrolabor um alle Widersprüche der Bundesrepublik im einem Dorf zu kondensieren. Zwar ist Böttchers Erzähler wie auch die Fokuscharaktere in Juli Zehs Unterleuten ein Städter, aber der Erzählung nimmt man das ernsthafte Verständnis provinzieller Zusammenhänge ab. Hier habe ich als auf dem Dorf und in der Kleinstadt Aufgewachsener nicht das Gefühl, mir würde ein Maulwurf von Fliegen erzählen (oder aus der Berliner Perspektive wohl andersrum: ein Vöglein vom Graben).

Die Dorfrenaissance

Dorfliteratur ist mächtig im Kommen. Kein Wunder: Die hektische vernetzte moderne Welt ist schwer in ein kohärentes literarisches Werk zu überführen. Wer Exemplarisches zeigen will, tut gut daran, das Szenario zu reduzieren. Zugleich präsentiert sich in der neuen Rechten Provinzialität immer aufdringlicher als Anwärter auf die neue Leitkultur. Es gibt also gute Gründe sich gerade jetzt literarisch der Provinz zuzuwenden. Allerdings: Die Gefahr zu großer Künstlichkeit lauert immer ebenso wie die, in die Predigt abzugleiten.

Das Kaff vermeidet beides mit Leichtigkeit. Erzählt wird tatsächlich in erster Linie die Geschichte des Rückkehrers Michael Schürtz, Architekt, durch eine Liebschaft verbandelt mit Berliner prekären Künstlermilieus, an sich aber recht konservativ und der alten Heimat gegenüber mit Dünkel behaftet. Ein brüchiger, manchmal nervig arschiger Protagonist, der sich für besser hält als die Käffler.

Und der es sich doch bald aufschwatzen lässt, die örtliche Fußballmannschaft zu trainieren, der sich verliebt und rasch einheimischer zu werden scheint, als er möchte.

Warum, und warum so?

Aber: Es kommt immer ein Aber: Die fehlende Prätention erkauft sich der Roman mit einigen regelrecht langweiligen Passagen. All die Details von den Baustellen, die kaum helfen das Milieu weiter zu charakterisieren, hätte man rigoros zusammenkürzen können (müssen). Dann hat ein Buch halt mal nur 100 oder 150 Seiten, na und? Die ebenfalls prätentionslose Sprache stört nicht, begeistert aber auch nicht. Und manchmal steht dann ein ganz komischer Satz quer zum Rest: „Das ist des Rudelführers Wort“ – wo kommt diese überkanditelte Wendung plötzlich her?

Überhaupt wird der Grund der Erzählung nie so wirklich klar. Also nicht nur, warum einzelne Sätze so und nicht anders formuliert sind, sondern warum das Ganze überhaupt aufgeschrieben wurde. Damit meine ich nicht, warum der Autor es aufgeschrieben hat. Sondern: Es handelt sich um eine Ich-Erzählung eines in der ganzen Art und Weise, wie er dargestellt ist, überhaupt nicht zum Erzählen, noch dazu zum literarischen Erzählen, neigenden Menschen. Man achtet selten drauf, aber die meisten großen Ich-Erzählungen werden innerhalb des Romans motiviert. Jim Hawkins (die Schatzinsel) zB führt Buch über seine Erlebnisse, Huckleberry Finns ganzer Charakter ist darauf angelegt, sein eigenes Tun immer wieder vor sich selbst zu erklären und zu rechtfertigen. Es muss aber nicht mal innerhalb der Fiktion zwingend genau erklärt werden. Oft überzeugt schon der Duktus: Ein besonders erzählender, sei es elitärer, sei es mündlicher Natur, etwa im Stile einer „Großelternerzählung“, oder im gehetzten Tonfall eines dessen, dem gerade etwas ganz krasses passiert ist – das genügt meist schon, damit man dem Erzähler glaubt, dass er gar nicht anders kann als zu erzählen. Warum Schürtz in Das Kaff erzählt dagegen bleibt mir bis zum Schluss fremd. Erzählen geht so gegen alles, was dieser Mensch im Buch darstellt. Es passt einfach nicht. Warum also nicht die dritte Person?

Fazit: Ordentlicher Roman, schön runter zu lesen. Nicht zu viel drüber nachdenken.

Bild: Pixabay, gemeinfrei

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