Selten, aber hey. Andreas Kern und ich sind uns mal partiell einig was GOT betrifft: Die zweite Hälfte der siebten Staffel ist ein Schritt in die richtige Richtung. Meine Gedanken diesmal nicht in Form einer weiteren Kolumne, Andreas Text im Link.
Mal was Positives zu GOT: Das hätte durchaus das Potenzial zu einer überdurchschnittlichen Fantasyserie gehabt. Und das sieht man an der zweiten Hälfte der siebten Staffel, allen Schwächen zum Trotz, aufscheinen. Die Gesamtanlage treibt jetzt auf ihren absolut vorhersehbaren Höhepunkt zu. Und die Vorhersehbarkeit möchte ich als das bisher beste an der Serie verstanden wissen. Gewiss, die Taz meckert, wie die meisten Fans war ihr eben in Wahrheit der Seifenoperaspekt am wichtigsten. Verständlich, aber das hat mit Voyeurismus mehr zu tun, als mit Kunstgenuss.
Gelungen nämlich an GOT ist: die vom Prolog an angelegte Bedrohung und ihre bald deutlich werdende Eis/Feuer Dichotomie. Der Aufbau und die Zusammenführung der Eis und Feuer tragenden Charaktere und deren wie sich abzeichnet im klassischen Sinne tragisches Liebes-Verhältnis. Die mögliche Rettung der Welt wird wenn überhaupt nur über die persönliche Tragödie gehen. Gut ist ferner der politische Unterbau: die feudale Revolte gegen den erstarrten Absolutismus, die chaotische Zustände unter den streitenden Fürsten bringt, die Wiederkehr des Absolutismus im aufgeklärten Gewandt und die Korrumption auch dieser gutgemeinten Macht.
Gelungen auch die prinzipiellen Intrigen: Wahnsinn des Königs, Königsmord, Mord am Mentor, Zerstreuung und wieder Sammeln der besten Kräfte des Feudalismus, die sich mit der prospektiven Herrschaft verbünden. All das ist geradewegs und relativ gelungen aus Shakespeares Werkzeugkasten geborgt.
Das Problem von Buch und Serie liegt darin, dass Martin nicht nur seinen Kuchen haben und essen wollte, er wollte ihn auch 100 km lang, besonders süß, mit viel Zuckerguss, derweil aber möglichst aus Leichenteilen gebacken. Ein Monsterkuchen, der am Ende nicht mal mehr einen guten Hackbraten ergibt. Statt einem Königsmord gibt es unzählige, Akteure wie die eiserne Bank werden eingeführt und vergessen, eine allmächtige pseudokatholische Kirche wird aus dem Nichts konstruiert und verschwindet nach einem Schlag gegen ihre Anhänger allein in der Hauptstadt in der absoluten Bedeutungslosigkeit usw, usf. Es ist ein wenig als gewinne Hamlet erst richtig an Fahrt, nachdem ein fünfter Geist von Hamlets Ururenkel König Donald III im Jahre 2017 darauf hingewiesen hätte, wo man das dringend benötigte Plutonium für die fünzigste Atombombenstaffel findet, die endlich den Welkoreakrieg entscheiden soll.
Hätte sich, wie aller Wahrscheinlichkeit nach ursprünglich geplant, der Thronfolgekrieg auf eines von drei Büchern beschränkt, ASOIAF hätte literarisch auf einer Höhe mit den Größen des Genres spielen können. Auch die Serie GOT wäre dann als, zwar überlanges, Königsdrama deutlich besser, freilich um den Preis, dass es sie nach den Gesetzen des Marktes wohl erst gar nicht gegeben hätte.
Denn die Fans, man höre ihnen genau zu, sehen ASOIAF/GOT strukturell eigentlich genauso wie ich. Deshalb erinnern Sie sich an die übergeordnete Rahmenanlage immer nur dann, wenn man fast mit dem Argument durchgedrungen ist, dass das dauernde Dahinmetzeln liebgewonnener Neben(!)-Charaktere noch kein großes Werk macht. In Wahrheit aber wird die Zusammenführung der Stränge (siehe taz) sehr kritisch beäugt. Denn jedes Ende, noch dazu jedes halbwegs gelungene, wird deutlich machen, dass man sich die Radikalität der Serie immer nur eingeredet hat (Deshalb erwarte ich, dass zumindest Martin auch die White Walker wieder ah-ha-ha-ambivalent zu gleichberechtigten Akteuren machen wird, gäääähn) . Martins eingestandene Schwäche hat man sich als Stärke verklärt, man will das Chaos, will das Immer-Weiter-So.
Man will, wie übrigens der Leser durch die Jahrhunderte, gegen dessen niedere Instinkte sich große Kunst immer auch im Sinne eines erzwungenen Glücks erstmal durchsetzen muss, die Seifenoper.